Sitzung des Deutschen Bundestages, 19.01.2017
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes
Drucksachen 18/9758, 18/9947, 18/10102 Nr. 12
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/10903
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, uns allen ist klar, dass einige Rockerclubs auch in Deutschland ein hohes kriminelles Potenzial besitzen. Erst letzte Woche gab es in meiner Heimatstadt Leipzig eine Großrazzia mit circa 500 Beamtinnen und Beamten unter anderem auch gegen einen Rockerclub. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Steuerhinterziehung und Waffenhandel. Im Juni letzten Jahres kam es in der Eisenbahnstraße in Leipzig zu einer Auseinandersetzung zwischen den verfeindeten Rockerclubs Hells Angels und United Tribuns. Dabei wurde ein Mann der United Tribuns getötet, weitere zwei Männer wurden zum Teil schwer verletzt.
Es sind aber bei weitem - insoweit sind wir uns einig - nicht alle Motorradclubs kriminelle Vereinigungen. Es ist wichtig, dass wir nicht pauschalisieren.
Das Problem wurde schon benannt: Es geht um die sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs. Der Großteil dieser Rockervereinigungen begeht unter anderem auch Straftaten, meist im Bereich der Rohheitsdelikte. Dabei handelt es sich zum Beispiel um gefährliche Körperverletzung und räuberische Erpressung. Es bleibt allerdings im Rockermilieu nicht nur bei Bandenkriegen untereinander. Die vielen Verbindungen in die organisierte Kriminalität sind offensichtlich. Drogen, Waffen- und Menschenhandel sind keine Ausnahme.
Besorgniserregend sind aber auch Verbindungen einiger Rockerclubs in die rechtsextreme Szene. Zum Beispiel arbeiten Rocker und Nazis etwa bei der Durchführung von rechtsextremen Musikveranstaltungen zusammen. So fanden in den Räumen der Bandidos in Mannheim oder des Gremium MC in Dresden schon Neonazikonzerte statt. Auch personell gibt es Überschneidungen. Zum Beispiel ist der bayerische NPD-Funktionär Sascha Roßmüller auch Mitglied der Bandidos. Auch ideologisch gibt es durchaus einige Übereinstimmungen: Gewaltverherrlichung, Männlichkeitskult bis hin zum Sexismus.
Ein wichtiger Bestandteil der Außenwirkung erzielen die Rocker durch ihr einheitliches Erscheinungsbild. Mit den Kutten und den aufgenähten Symbolen schaffen sie durchaus auch eine Atmosphäre der Einschüchterung und Gewalt. Im Versammlungsgesetz haben wir aufgrund der deutschen Geschichte das sogenannte Uniformverbot verankert, und das ist auch gut so. Auch das Ziel Ihres Gesetzentwurfs finden wir im Grunde unterstützenswert. Gegen die Umgehung des Verbots bestimmter Symbole muss vorgegangen werden. Aber bei diesem neuen Vereinsgesetz bzw. bei den damit verbundenen Veränderungen haben wir einige Bedenken.
Nur ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Hooligan-Verein bedient sich missbräuchlich eines Vereinslogos, sagen wir einmal des Logos von RB Leipzig. Nehmen wir weiter an, der Hooligan-Verein wird irgendwann zur kriminellen Vereinigung, und er wird damit verboten. Was geschieht dann angesichts der neuen Gesetzeslage mit dem Logo von RB Leipzig? Darf dann der Fußballverein, der nichts mit dem verbotenen Verein zu tun hat, sein eigenes Logo nicht mehr verwenden? Das Beispiel mag vielleicht sehr weit hergeholt sein; aber es fand auch bei einem Sachverständigen in der Anhörung durchaus Erwähnung, dass so etwas nicht ganz auszuschließen ist.
Uns ist also der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf zu unbestimmt. Wenn es sich um kriminelle Vereinigungen handelt, ist es ein Anliegen, das wir unterstützen. Sie erkennen aber nicht die Gefahr, die dieses Gesetz mit sich bringt. Wir finden, dass es hier nur um Symbolpolitik geht, und wir fänden es sinnvoller, die Systematik des Vereinsgesetzes zu verändern, was unter anderem auch von einigen Sachverständigen in der Anhörung vorgeschlagen wurde. Deshalb werden wir uns jetzt gleich bei der Abstimmung enthalten.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)