Immer mehr Deutsche lehnen Ausländer und Minderheiten ab

Pressebericht, Augsburger Allgemeine, 07.11.2018

Einer neuen Gesellschaftsstudie zufolge ist Fremdenfeindlichkeit in Deutschland auf dem Vormarsch. Welche Volksgruppen besondere Abneigung erfahren.

Eine wachsende Zahl von Deutschen teilt ausländerfeindliche und rassistische Ansichten. Zu diesem Schluss kommen die Autoren der diesjährigen Autoritarismusstudie der Universität Leipzig, die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde. Demnach schlägt vor allem Muslimen sowie Sinti und Roma zunehmend Ablehnung entgegen. Besonders ausgeprägt sind diese menschenfeindlichen Haltungen demnach in den östlichen Bundesländern. Grünen-Politiker mahnten angesichts der Zahlen zum Handeln.


Studie: Immer mehr Deutsche haben Vorbehalte gegen Minderheiten

Die von der Otto-Brenner-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte Studie bemisst die Ausländerfeindlichkeit an der Zustimmung der Befragten zu einzelnen Aussagen. So stimmt jeder dritte Deutsche der Aussage zu, dass Ausländer den deutschen Sozialstaat ausnutzen oder die Bundesrepublik überfremden. Mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer hält Deutschland "in einem gefährlichen Maß für überfremdet", im Osten sogar fast die Hälfte.

"Erschreckend hoch ist die Abwertung von Muslimen angestiegen", erklärte der Medizinsoziologe Elmar Brähler. 56 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, sie fühlten sich "wegen der vielen Muslime hier wie ein Fremder im eigenen Land". 2014, vor der Ankunft zahlreicher Geflüchteter, hatte dieser Wert noch bei 43 Prozent gelegen.

Ebenfalls stark ausgeprägt ist der Antiziganismus, also die Ablehnung von Sinti und Roma. 60 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, Sinti und Roma neigten zu Kriminalität, im Osten sogar 70 Prozent. Die Studie bestätige die Warnungen des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, wonach "die jahrhundertealten Klischees des Antiziganismus virulent in der Mitte der Gesellschaft präsent sind", erklärte Zentralratspräsident Romani Rose.

"Die Ausländerfeindlichkeit ist im gesamten Land immer stärker verbreitet - das zeigt unsere aktuelle Befragung ganz deutlich", erklärte Studienleiter Oliver Decker. Seit der letzten Erhebung im Jahr 2016 stieg den Autoren zufolge die sogenannte geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit. Gemeint sind Befragte, die konsequent allen Aussagen zustimmen. Deren Anteil wuchs in Ostdeutschland von rund 23 auf 31 Prozent.


Diese Ursachen für Ausländerfeindlichkeit nennt die Studie

Auch antisemitische Einstellungen stagnieren auf hohem Niveau: Jeder Zehnte stimmte abwertenden Aussagen über Juden zu. Bei einzelnen antisemitischen Aussagen war es bis zu ein Drittel der Befragten, die zumindest teilweise zustimmten. Ganz oder teilweise stimmten im Osten mehr als 21 Prozent der Aussage zu, der Nationalsozialismus habe auch seine guten Seiten gehabt.

"Den Wunsch, Andersdenkende auszugrenzen, teilen zwei Drittel der Deutschen", erklärte Decker. Er und seine Kollegen gehen davon aus, dass eine autoritäre Persönlichkeit rechtsextreme Einstellungen befördert. Demnach haben rund 40 Prozent der Deutschen autoritäre Charaktermerkmale.

Die Autoren stellen fest, dass Deutsche mit rassistischen, chauvinistischen und demokratiefeindlichen Ansichten in der AfD eine politische Heimat gefunden hätten, was nicht heiße, das jedes AfD-Mitglied rechtsextrem sei.

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, nannte die Studie einen "Weckruf". "Die Verrohung der öffentlichen Debatte, wie wir sie in den letzten Monaten beobachten mussten, befeuert Rassismus und Ausländerfeindlichkeit", erklärte er. Monika Lazar, Rechtsextremismusexpertin der Grünen, nannte die Ergebnisse "erschütternd". Sie forderte "eine eindeutige und offensive Distanzierung von rechtspopulistischen Diskursen, vor allem auch innerhalb der Koalition". (afp)

[Quelle: www.augsburger-allgemeine.de]