Zur Erinnerung an die Friedliche Revolution von 1989 soll Leipzig ein Einheits- und Freiheitsdenkmal erhalten. Fünf Millionen Euro stellt der Bund dafür zur Verfügung, auch der Freistaat Sachsen will sich finanziell beteiligen. Doch in Leipzig wird nicht nur über den Standort, die Gestaltung und den Inhalt eines solchen Symbols debattiert, das Projekt ist insgesamt umstritten. In der Serie „Gedanken zum Denkmal“ lassen wir prominente Befürworter und Gegner zu Wort kommen.
Heute: Monika Lazar, bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete aus Leipzig.
Einheit bedeutet Zusammengehören, ein Ganzes bilden. Wie weit sind die beiden Teile Deutschlands damit gekommen, 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution?
Diese Frage erhebt sich angesichts der vielen Streitigkeiten um das Einheitsdenkmal: Soll es überhaupt eins geben, an welchem Ort, wie müsste es aussehen? Dabei werden auch patriotische Scheindebatten geführt. Künstlich entfachter „Nationalstolz“ lässt aber gesellschaftliche Probleme nicht verschwinden. An der inneren und sozialen Einheit müssen wir alle noch weiter arbeiten. Die zentrale Errungenschaft der Einheit Deutschlands, die Demokratie, ist heute gefährdeter als je zuvor. Rein symbolische Baumaßnahmen helfen da wenig. So gelang es auch vielfach nicht, Beifall aus der Leipziger Bevölkerung für die Denkmals-Idee zu erhalten, weil sie zu eindimensional präsentiert wurde. Wichtig ist jetzt vor allem ein ehrlicher Dialog mit breiter Bürgerbeteiligung. Nur eine solche Beteiligung, die den demokratischen Gedanken wahrt, wird am Ende zu einem Denkmal führen, das die Einheit darstellt. Wenn dies erfolgreich geschieht, kann die Auseinandersetzung um das Denkmal eine Chance für mehr Einheit – in Demokratie – in Leipzig und der ganzen Bundesrepublik sein.
Bei den Montagsdemonstrationen lief ich von Anfang an mit. Die Wochen von Anfang Oktober bis November 1989 gehören zu den spannendsten in meinem Leben. Echte Demokratie – das war und bleibt mein Anliegen. Das friedliche Abschütteln der SED-Diktatur stellt eine historische Leistung dar, die verdientermaßen einen zentralen Platz in der deutschen Geschichte einnimmt. Ich befürworte daher ein Einheitsdenkmal in Leipzig, der Stadt, in der der friedliche Widerstand wichtig für die ganze ehemalige DDR war. Im Mittelpunkt müssen aber Überlegungen zu einem würdevollen Umgang mit der eigenen Geschichte stehen.
Patriotische Aufladungen sind fehl am Platz, vor dem Hintergrund eines erstarkenden Rechtsextremismus sogar gefährlich. Sie verführen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Teile der Bevölkerung zu Schuldzuschreibungen gegen Minderheitengruppen.
Auch einen monumentalen Klotz können wir nicht brauchen. Vielmehr muss das Denkmal in angemessener Form die damaligen Ereignisse würdigen, Menschen inspirieren, über Vergangenes nachzudenken, miteinander ins Gespräch zu kommen, Neugier auf die andere Biographie zu entwickeln – in Deutschland und international. Der Ort sollte symbolisieren, wie wertvoll und fragil Demokratie ist. Sie musste vor 20 Jahren gemeinsam errungen werden – und muss es bis heute, immer aufs Neue.
Manche Denkmalsgegner plädieren dafür, lieber mehr Bildungs- als Baumaßnahmen zu finanzieren. Meiner Ansicht gehört hier beides zusammen. Ein ansprechendes Denkmal, das andere authentische Gedenkorte in Leipzig sinnvoll ergänzt, kann zum Magneten auch für junge Menschen werden und Anlass für die Bildung sein, die Themen DDR-Vergangenheit und Umgang mit der Demokratie stärker und plastischer als bisher aufzugreifen.
Ich wünsche mir dazu eine optische Gestaltung, die an den traditionell hohen künstlerischen und kulturellen Anspruch der Stadt Leipzig anknüpft. Nur so wird sich über Leipzigs Grenzen hinaus Wirkung entfalten. Und dies ist wichtig für eine gesamtdeutsche Debatte – über damals, aber auch über aktuelles in Ost und West, über das, was Menschen in unserem Land verbindet und trennt.
Ein Denkmal, das von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird, kann nicht unter Zeitdruck entstehen. Überlegungen der Stadt Leipzig, das Auslobungsverfahren noch vor dem 9. Oktober 2009 abzuschließen, lehne ich ab. Wir dürfen die Qualität des Projekts nicht einer Hektik opfern, die nur durch das symbolische Datum des 20. Jahrestags bestimmt wird. Das wäre unsinnig, zumal das Denkmal erst 2014 eingeweiht werden soll.
Ich fordere einen komplexen Prozess zur Entwicklung des Denkmals. Eine Chance wurde bereits vertan: Man ließ die Bürgerinnen und Bürger von Leipzig nicht selbst über die Frage „Denkmal – ja oder nein?“ entscheiden. Bei der Umsetzung müssen sie endlich einbezogen werden: mit Befragungen, einer Bürgerversammlung und anderen geeigneten Beteiligungsformen.
Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und aller Welt, aber auch Laien, sollten nun die Chance zur Teilnahme am Wettbewerb um die beste Gestaltungsidee erhalten. Ein Scheitern wie das der Jury in Berlin darf sich nicht wiederholen. Solche Vorfälle schaden dem Ruf des Denkmals bereits vor dem Bau. Ich appelliere dringend an die Verantwortlichen, genügend Zeit für ein qualifiziertes, demokratisches Auswahlverfahren zu lassen!