Der Kreisverband Stollberg des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat zu einer Veranstaltung über Altersarmut eingeladen. Die angekündigte Diskussion aber gab es nicht.
von Cristina Zehrfeld
Stollberg - Die Thematik Altersarmut ist gerade in der Erzgebirgsregion eine wichtige: Mehr als 2400 Rentner im Erzgebirgskreis gehen derzeit einem sogenannten Minijob nach, um über die Runden zu kommen. Die Zahl derer, die im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist, wird im Landkreis voraussichtlich in den nächsten Jahren stärker ansteigen als im sächsischen Durchschnitt. Dies auch deshalb, weil hier mehr als 57 Prozent aller Vollbeschäftigten für Niedriglöhne arbeiten.
Die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) eingeladene Podiumsrunde war dem Thema angemessen und vielversprechend besetzt: Mit Daniela Kolbe (SPD), Monika Lazar (Bündnis 90/Die Grünen) und Jörn Wunderlich (Die Linke) hatten drei Mitglieder des Deutschen Bundestages in den Stollberger Kulturbahnhof gefunden, um sich der Diskussion zu stellen.
Die Vertreter von CDU und FDP ließen ausrichten, dass sie wegen anderer Termine nicht kommen können. Im Podium und unter den Gästen sorgte das für höhnisches Gelächter. Dieser Termin sei lange genug angekündigt gewesen, so die einhellige Meinung.
DGB-Bundesvorstand Dirk Neumann gab zunächst eine grobe Vorstellung davon, wie massiv Deutschland von Altersarmut bedroht ist. Er sprach davon, dass die Rente künftig den Lebensstandard nicht mehr sichern wird, dass man sich von der paritätischen Finanzierung der Beiträge verabschiedet hat, dass die private Vorsorge gerade dort nicht greift, wo sie am nötigsten ist.
Immer wieder betonte er, dass die von ihm vorgelegten Zahlen nicht aktuell sind, weil neuere Zahlen „nicht aufbereitet vorliegen“. Das Problem war verdeutlicht, die Diskussion hätte beginnen können.
Doch zunächst verabschiedete sich Sabine Zimmermann. Wegen eines anderen Termins. Die Besucher hatten das Gelächter über das Fehlen der Regierungsparteien noch im Ohr, als die Regionsvorsitzende des DGB verschwand. Sie, die zur Veranstaltung eingeladen hatte. Doch darüber lachte keiner.
Noch kam das Publikum nicht zu Wort. Stattdessen legten die Parteivertreter ihre Standpunkte dar: gutes Geld für gute Arbeit, Mindestlöhne, Vermögensabgabe. Im Podium herrschte Wohlklang und Einigkeit. Nach exakt 100 Minuten, planmäßige fünf Minuten vor dem Schlusswort, kam sie dann doch noch: die Aufforderung zur Diskussion.
Und wider Erwarten war das Publikum noch immer wach und kritisch: Ein Besucher erinnerte also daran, dass es nicht CDU und FDP, sondern SPD und Grüne waren, die 2004 mit Hartz IV und Regelungen zur Leiharbeit die Grundlagen für die heute drohende Altersarmut legten. Die Antwort aus dem Podium war kaum überraschend: Daniela Kolbe war damals dagegen.
Monika Lazar hat sich damals geärgert und die Beschlüsse nicht verstanden. Die Linke war nicht in der Regierung.
Angriffsfläche bot also keiner, sondern nur das Gefühl, dass die Politik da oben mit den einzelnen Volksvertretern rein gar nichts zu tun hat. Auf den Punkt brachte diese Wetterwendigkeit der Parteien Monika Lazar: „Wenn es wieder anders kommt, würde ich nicht für jeden von uns meine Hand ins Feuer legen.“
Das Murren im Auditorium ließ ahnen, dass mancher gern etwas kritischer nachgehakt hätte. Doch das wurde sanft abgeblockt: „Ich bitte um Aufmerksamkeit und Disziplin“ forderte Moderator Michael Willnecker. Und so kamen ganz diszipliniert noch zwei, drei Bemerkungen aus dem Publikum. Aber nichts, was den Namen Diskussion verdient.
Quelle: Freie Presse / Stollberger Zeitung