Heute verhandelte das Dresdner Verwaltungsgericht die Klage des „Alternativen Kultur- und Bildungszentrums Sächsische Schweiz e.V.“ (AKuBiZ) gegen die sogenannte Extremismusklausel. Das Urteil ist ein erster Teilerfolg und hat einen hohen Symbolwert für zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland, ist es doch bundesweit die erste Klage gegen diesen Bekenntniszwang.
Von Anna Brausam
„Wir danken AKuBiZ e.V. und allen anderen Mutigen, die sich von den staatlichen Kriminalisierungsversuchen durch Schröder und Ulbig nicht haben einschüchtern lassen, sondern offensiv die inhaltliche Auseinandersetzung für unsere Demokratie geführt haben.” Mit diesen Worten bedanken sich Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Miro Jennerjahn, demokratiepolitischer Sprecher der sächsischen Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nach der Verkündung des Urteils beim AKuBiZ und dessen Unterstützer für ihr Durchhaltevermögen.
„Wir hätten uns vielmehr eine politische Auseinandersetzung um die Extremismusklausel gewünscht”
Im Vorfeld der Verhandlung luden die Amadeu Antonio Stiftung, das AKuBiZ, die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAKR) zum Pressegespräch. Rund 30 Teilnehmer sind gekommen. Der Vorsitzende des AKuBiZ, Steffen Richter machte noch einmal deutlich, dass für das AKuBiZ eine Klage vor Gericht der letzte Schritt gewesen sei. „Wir hätten uns vielmehr eine politische Auseinandersetzung um die Extremismusklausel gewünscht und keine juristische“, so Steffen Richter. Die umstrittene Klausel geht auf das Bestreben der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zurück: Vereine und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, werden gezwungen eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (FdGO) bekennen, wenn sie Fördermittel vom Bund erhalten möchten. „Dass nun genau diejenigen, die tagein, tagaus für Demokratie und Menschenrechte streiten, die ersten sind, die unter einen Generalverdacht gestellt werden, ist nicht hinnehmbar“, sagt Steffen Richter.
Zum Ende des Pressegesprächs verdeutlichten die Teilnehmer Steffen Richter, Robert Uhlemann, Rechtsanwalt des AKuBiZ e.V. und Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung ihren Standpunkt zur Extremismusklausel: Sie sprachen sich nicht nur entschieden gegen eine derartige Klausel aus, weil Organisationen und Initiativen durch diesen Bekenntniszwang ständiger Kontrolle und stetem Misstrauen ausgesetzt sind, sondern sie kritisierten den Extremismusbegriff als solchen.
Kulinarischen Kostproben des beliebten „Extremis Mus“
Auch vor dem Dresdner Verwaltungsgericht, in dem die Verhandlung um 13 Uhr stattfand, versammelten sich bereits eine Stunde vor dem eigentlichen Prozessbeginn circa 100 Personen, um ihre Unterstützung für das AKuBiZ und ihre Klage gegen die Extremismusklausel zum Ausdruck zu bringen. Die Anwesenden wurden mit kulinarischen Kostproben des beliebten „Extremis Mus“ der Firma Klausels versorgt. Die Firma Klausels aus Sachsen machte im letzten Jahr durch ihr Sauerkirschmarmelade “Extremis-Mus – mit dem bitteren sächsischen Beigeschmack” auf sich aufmerksam – eine satirische Auseinandersetzung, den staatlichen Repressionen durch die „Extremis Mus Klausel“ zu begegnen.
Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichts
Als um 13 Uhr der Prozess begann, war auch der Zuschauerandrang sehr groß, was für ein reges Interesse am Ausgang der Verhandlung spricht. Bereits nach 15 Minuten zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Das Urteil des Gerichts, welches jedoch noch nicht rechtskräftig ist, lautet, dass die Extremismusklausel, nach Auffassung des Gerichts, in Teilen rechtswidrig sei. So stellte das Gericht fest, dass das Bekenntnis zur FdGO für Vereine und Initiativen zumutbar sei; vor allem aber Satz 2 und 3 der Klausel seien zu unbestimmt und damit rechtswidrig: Damit ist es unzulässig von Projekten zu verlangen, auch all ihre Partner auf deren Verfassungstreue überprüfen zu müssen und gegebenenfalls belangt werden zu können, falls das Ministerium mangelnde Verfassungstreue vermutet.
So lässt sich spekulieren, ob sich eine derartige Entscheidung eventuell bereits abzeichnete, wenn man die Worte liest, mit dem das Dresdner Verwaltungsgericht den Prozess auf ihrer Internetseite ankündigte: „Verwaltungsgericht entscheidet über »Extremismusklausel«“. Diese Wortwahl ist interessant, weil der Begriff der „Extremismusklausel“ bisher in aller Regel nur von den Gegnern dieses vom Bundesfamilienministerium auferlegten Bekenntniszwangs gebraucht wurde. Die offizielle Bezeichnung lautet eigentlich „Demokratieerklärung“.
Das Urteil stellt auf jeden Fall ein Teilerfolg für die Zivilgesellschaft und eine Schlappe für das Familienministerium dar! Steffen Richter begrüßte das Urteil, verdeutlichte jedoch noch einmal, dass er traurig sei, dass überhaupt juristische Schritte unternommen werden mussten: „Die Extremismusklausel ist eine aktive Behinderung der wichtigen Arbeit gegen Rechts vor Ort. Die Auffassung des Gerichts bestätigt, dass Demokratiearbeit nicht mit Misstrauen begegnet werden darf.“ Auch Timo Reinfrank fühlt sich in seiner Annahme bestätigt, „dass solche Staatsbekenntnisse und Bespitzelungsaufforderungen nicht rechtskonform sind.“
Quelle: www.antifa-netzwerk.net