Jeder Tag zeigt es aufs Neue: Die Leipziger lieben ihren Auwald, sie wandern, joggen oder radeln auf seinen Wegen. Doch was ihnen am Herzen liegt, bereitet auch manchmal Sorgen. Müssen wirklich so viele Bäume gefällt werden? Warum werden ganze Abschnitte durchforstet? Diese und andere Fragen beantwortete Leonard Kasek vom Naturschutzbund (Nabu) interessierten Bürgern während einer Wanderung durch den südlichen Auwald. Eingeladen hatte die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Bündnis 90/Die Grünen).
„Was schätzen Sie“, fragt Kasek in die Runde, „wie alt ist der Auwald, wie wir ihn heute sehen?“ „150 Jahre“, meinen einige - „60, 70“ andere. „Richtig“ bestätigt der Fachmann. „So um die 60 oder 70 Jahre. Der Wald selbst ist natürlich älter - ein halbes Jahrtausend vielleicht. Jahrhunderte lang wurde der Wald auch als Weide und zur Brennholzgewinnung genutzt. Die verbleibenden Edelholzbäume zur Bauholzgewinnung standen in größerem Abstand, die Stämme waren viel kürzer als heute und die Kronen breiter.“ „Und vorher im Mittelalter?“, lautet die überraschte Frage. „Da war hier Wiese“, ergänzt Kasek trocken. „Der Leipziger Auwald wurde immer schon wirtschaftlich genutzt“, stellt er klar, „nur die Nutzformen haben sich geändert. Gegenwärtig wird er nach den strengen Richtlinien der ökologischen Waldwirtschaft gepflegt. Bäume, die weniger standortgerecht sind, werden nach und nach entfernt, andere, vor allem Eichen gepflanzt“, erklärt der Naturschützer während der Tour Richtung Elsterflutbecken. In dessen Nähe wird jedes Frühjahr eine Fläche überschwemmt. Das Projekt will herausfinden, wie sich Flora und Fauna infolge der Flutung verändern. Mittlerweile stehe fest: „Ulme und Esche werden gefördert, denn Konkurrent Ahorn bleibt ihnen vom Halse.“
Doch einmalig sei die Artenvielfalt bereits jetzt, auch im Vergleich mit Wäldern in dünn besiedelten Regionen. Kasek: „Unser Leipziger Auwald ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich Artenreichtum, Naherholung und gewinnbringende Nutzung nicht ausschließen.“ Sorgen bereiten dem Nabu-Mann eher jene Pläne, die für den Floßgraben Motorboote vorsehen. „Für sie, und auch das so genannte Leipzigboot, ist er zu schmal und auch nicht tief genug. Breiter ist die Elster“, plädiert Kasek für eine Variante, bei der Boote über die Elster und dem hoffentlich bald sanierten Elsterstausee bis in den Cospuder See gelangen könnten.
Im Wildpark endet die lehrreiche Tour. In aller Ruhe lassen sich dort jene Tiere beobachten, die im Auwald sonst eher im Verborgenen leben. Der Fischotter etwa - seine Rückkehr sei - „eine kleine Sensation“. Und irgendwann, ist sich Leonard Kasek sicher, „kommt auch der Luchs zurück. Doch schon jetzt ist unser Auwald spitze.“
Ingrid Hildebrandt