Staatsministerin Maria Böhmer hält gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte für erforderlich
Von Dorothea Siems
Berlin - In Deutschland liegen Frauen beim Einkommen deutlich hinter den Männern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug die Lücke im vergangenen Jahr 23 Prozent und war damit ebenso groß wie in den Vorjahren. Experten sehen viele Gründe für den anhaltend großen Gehaltsrückstand der Frauen - einige der Ursachen können allerdings nur sie selbst ändern.
Der Bruttostundenverdienst der Frauen liegt bei 14,90 Euro. Männer erzielen im Durchschnitt einen Verdienst von 19,40 Euro. Beim Lohnunterschied gibt es indes ein gravierendes Ost-West-Gefälle. So verdienen ostdeutsche Frauen lediglich sechs Prozent weniger als die Männer. In Westdeutschland beträgt die Lücke hingegen 25 Prozent.
Arbeitsmarktexperte Jörg Schmidt vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnt davor, in erster Linie Diskriminierung für die Einkommenslücke verantwortlich zu machen. "Die Frauen wählen oft Berufe, in denen weniger verdient wird", sagte Schmidt. Die Schulabgängerinnen drängen unverändert in schlechter bezahlte Dienstleistungsberufe wie Friseur oder Arzthelferin. Und bei den Studienfächern meiden sie die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer. Hinzu kommt, dass längere Familienphasen und Teilzeitarbeit nach wie vor Frauensache sind. IW-Experte Schmidt: "Zwar zielt das Elterngeld darauf ab, dass die Frauen schneller in den Job zurückkehren und die Väter zumindest für einige Zeit aussetzen. Doch derartige gesellschaftliche Veränderungen brauchen einige Zeit, bis sie sich auswirken."
Wie groß der Anteil der Einkommensdifferenz ist, der auf tatsächliche Diskriminierung durch die Arbeitgeber zurückzuführen ist, ist unter Experten umstritten. Das IW hat die "bereinigte Verdienstlücke" mit sechs Prozent berechnet. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung geht von deutlich höheren Werten aus.
Laut einer WSI-Studie verdienen Frauen schon beim Berufseinstieg deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, die den gleichen Job machen. Nach Ansicht der WSI-Forscherin Christine Klenner verringert auch der Bildungserfolg der Frauen den Gehaltsunterschied nicht. "Je höher die Qualifikation ist, desto größer ist der Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen", sagte Klenner. Während die Schere sich in den Arbeiterberufen weitgehend geschlossen habe, sei die Differenz bei den hochqualifizierten neuen Dienstleistungsberufen besonders eklatant. Dass der Unterschied im Osten viel geringer ist als im Westen, zeigt nach Einschätzung der WSI-Expertin denn auch nur bedingt einen Erfolg der Frauen. In Ostdeutschland gebe es vielmehr nur wenige Männer, die gut verdienten.
Allerdings profitieren die ostdeutschen Frauen auch von einem gut ausgebauten Betreuungsangebot für Kleinkinder. Während im Westen nur jedes sechste Kind unter drei Jahren in einer Krippe oder Tagespflege ist, liegt der Anteil im Osten bei knapp 50 Prozent.
Angesichts fehlender Fortschritte wird nun der Ruf nach gesetzlichen Maßnahmen lauter. "Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen für die Privatwirtschaft, damit die Entgeltgleichheit für Frauen endlich Realität wird", forderte die Frauenpolitikerin der Grünen, Monika Lazar. Auch WSI-Expertin Klenner sagte: "Der Gesetzgeber ist gefordert."
Die Vorsitzende der Frauen Union, Maria Böhmer, glaubt ebenfalls, dass die Politik der Wirtschaft auf die Sprünge helfen muss. "Es regelt sich nicht von selbst", sagte die Staatsministerin der WELT. Unternehmen seien gefordert, endlich mehr Frauen Führungspositionen zu übertragen. Dazu müsse sich jedes Unternehmen klare Zielvorgaben setzen. "Wenn es um die Besetzung der Aufsichtsräte geht, zeigen alle Erfahrungen: Es wird nicht ohne gesetzliche Regelungen gehen", sagte die CDU-Politikerin. Die Frauenunion plädiere für eine Quote von 40 Prozent. Darüber hinaus sollten öffentliche Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, in denen Entgeltgleichheit gegeben sei. "Dies ist ein überaus wichtiger Hebel", sagte Böhmer.
Quelle: welt.de