Gleichberechtigung ist die breite gesellschaftliche Akzeptanz von Wahlfreiheit und die Abwesenheit eingeschränkter Handlungsoptionen auf Grund des Geschlechts. Die der Gleichberechtigung immanente Freiheit schafft Vielfalt. Frauen im Beruf, mit und ohne Kinder, in Vollzeit, Teilzeit oder Ehrenamt – das ist Normalität, die wir nicht als etwas Besonderes herausstellen dürfen.
Die strukturelle Verhinderung der Teilhabe oder die geschlechtsabhängige Schlechterstellung ist eine Abweichung von der Normalität, gegen die wir mit bündnisgrüner Politik vorgehen müssen. Wir sollten anerkennen, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern existieren. Doch wir müssen vorgehen gegen Rollenzuschreibungen, die einengen und behindern. Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen und Männer nach ihren Wünschen leben und arbeiten können, denn dann endet die Stigmatisierung des Hausmannes oder der Karrierefrau. Bündnisgrüne Politik soll es ermöglichen, vorgegebene Rollen zu überwinden. Sie soll nicht bevormunden, aber institutionelle Möglichkeiten der Befreiung von traditionellen Geschlechterrollen schaffen. Deshalb plädiert die grüne Bundestagsfraktion für eine Abschaffung
des Ehegattensplittings und fordert die Individualbesteuerung.
Familie ist vielfältiger geworden. Nicht Ehescheine, sondern Kinder müssen im Mittelpunkt der Familienförderung stehen. Die stärkere Beteiligung von Frauen in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Politik ist nicht nur eine Frage von Demokratie und Gerechtigkeit, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Die grüne Bundestagsfraktion hat dazu mehrere Anträge und Beschlüsse erarbeitet. Wir fordern: Frauen in Führung, überall! Auch außerhalb der Führungsetagen treten wir ein für eine Steigerung weiblicher Erwerbstätigkeit sowie Entgeltgleichheit und untendenziöse Berufsberatung.
In Deutschland herrscht Lohndiskriminierung: Frauen verdienen für gleiche Arbeit im Durchschnitt 22 Prozent weniger. Außerdem existiert eine strukturelle Verhinderung von Frauen in Führungspositionen. In deutschen DAX-Unternehmen arbeitet genau eine Frau im Vorstand. Ein Blick nach Norwegen zeigt, dass nicht nur Selbstverpflichtungen, sondern auch gesetzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote greifen können: Ab 2008 gilt für viele norwegische Unternehmen, dass 40 Prozent der Mitglieder im Aufsichtsrat weiblich sein müssen – sonst droht die Zwangsauflösung. In Deutschland beträgt die Frauenquote in Aufsichtsräten weniger als zehn Prozent. Eine Vereinbarung zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft im Jahr 2001 setzte auf Freiwilligkeit – und blieb wirkungslos.
Wir brauchen gesetzliche Regelungen zur Gleichstellung. Nur so können wir Unternehmen verpflichten und für Frauen verbindliche Rechte schaffen. Gleichberechtigung, echte Wahlfreiheit und Vielfalt ist nur zu erreichen, wenn Männer die ihnen zustehende Hälfte auf allen Ebenen in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Politik besetzen, die andere Hälfte aber durch Frauen repräsentiert wird. Umfassende Schwesterlichkeit in allen gesellschaftlichen Netzwerken ist dafür eine wichtige Voraussetzung.
Die Berufung von Carme Cachón zeigt, dass starke weibliche Teilhabe notwendig, aber nicht hinreichend ist. Erst die Auflösung einengender Rollenzuschreibungen zwischen den Geschlechtern führt zu einer umfassenden Normalität der Gleichberechtigung.
aus: AUFWIND, September 2008
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