Am 15. April lud die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu einem internen Fachgespräch "Möglichkeiten der Übertragbarkeit des französischen Parité-Gesetzes auf die Wahlen zum Deutschen Bundestag" ein. Als ExpertInnen referierten Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski (Universität Kassel), Prof. Dr. Martin Morlok (Universität Düsseldorf) sowie Prof. Dr. Ute Sacksofsky (Universität Frankfurt/Main). Von der Fraktion nahmen die Abgeordneten Monika Lazar, Jerzy Montag, Sven-Christian Kindler sowie zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teil.
Prof. Laskowski führte aus, dass der Staat aufgrund Artikel 3 des Grundgesetzes verpflichtet sei, gesetzgeberisch tätig zu werden um die gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen am politischen Leben zu gewährleisten. Dort heißt es "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Kritischer war Prof. Morlok. Eine Erhöhung des Frauenanteils bringe nicht automatisch eine bessere Politik für Frauen mit sich. Eine gesetzliche Quote stelle für ihn einen ernsthaften Eingriff in die Parteienfreiheit dar. Wer gewählt wird, sollen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, der Staat solle sich aus dieser Frage heraushalten. Ferner gebe es in fast allen Parteien lediglich ein Drittel weiblicher Mitglieder, eine fünfzigprozentige Quotierung wäre daher unverhältnismäßig.
Prof. Sacksofsky argumentierte dass ein Parité-Gesetz die Wahlfreiheit beschränken würde. Auch wies sie daraufhin, dass dann reine Frauenlisten nicht mehr möglich wären. Man sollte die Parteien eher mit Anreizen locken, mehr Frauen aufzustellen. Statt einem Parité-Gesetz schlug sie Regelungen wie im Betriebsverfassungsgesetz vor.
In Frankreich drohen bei Verstößen gegen die Parité-Vorgaben finanzielle Sanktionen. Dies wurde kritisch gesehen, da jede Partei Anspruch auf Parteienfinanzierung hat und diese nicht "Belohnung" für gute Politik seien dürfe. Außerdem zeige Frankreich auch, dass die Parteien eher bereit sind, finanzielle Einbußen hinzunehmen, als sich an die Quotierungsvorgaben zu halten.
Keine Lösung wurde für die Vergabe von Direktmandaten gefunden, da man niemandem aufgrund des Geschlechts untersagen könne, in einem bestimmten Wahlkreis zu kandidieren. Insbesondere die "sicheren" Direktwahlkreise sind juristisch nicht zu fassen. Auch das Kumulieren und Panaschieren sei in diesem Zusammenhang schwierig.
Keine Einigkeit erzielen konnten wir in der Frage, ob ein Parité-Gesetz einfachgesetzlich umzusetzen ist oder ob es dafür eine Verfassungsänderung benötigt. Während Prof. Morlock der Auffassung war, dass man um eine Änderung des Grundgesetzes, etwa in Art. 38 Abs. 1, nicht herumkäme, da ein Parité-Gesetz ein zu großer Eingriff in die Parteienfreiheit sei, vertrat Prof. Laskowski die These, dass das Gleichheitsgebot nach Art. 3 GG einen solchen Eingriff rechtfertige und ein Parité-Gesetz einfachgesetzlich umsetzen lasse.
Unterstützung kommt vom Deutschen Juristinnenbund. Dieser begrüßt die paritätische Besetzung von KandidatInnenlisten und Wahlkreisen mit Frauen und Männern zur Wahl des Deutschen Bundestages und unterstützt entsprechende gesetzliche Quotenregelungen wie zum Beispiel in Frankreich.
Auch der Deutsche Frauenrat hat im November 2010 auf seiner Mitgliederversammlung einen Beschluss dazu gefasst: Die Bundesregierung möge Initiativen für ein Paritätsgesetz ergreifen.
Bisher gab es bereits in Schleswig-Holstein den Versuch, ein Parité-Gesetz auf Landesebene durchzusetzen, 2007 fand ein entsprechender Gesetzentwurf der bündnisgrünen Landtagsfraktion jedoch keine parlamentarische Mehrheit. In diesem Frühjahr befasste sich das grüne Frauenforum NRW und auch die BAG Frauen mit dem Thema Parité.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird sich weiter mit diesem Thema beschäftigen und parlamentarische Initiativen in den Deutschen Bundestag einbringen.