Monika Lazar erläutert in Germering die neuen Strukturen der extremen Rechten
Germering – Dass das Thema lokal eine solche Brisanz haben würde, konnten die Germeringer Grünen nicht absehen, als sie die Diskussionsveranstaltung vor geraumer Zeit gemeinsam mit dem Kreisverband organisierten: Vergangene Woche war in Germering die Wohnung eines 38-Jährigen durchsucht worden, der das bedeutendste rechtsextremistische Internetforum im deutschsprachigen Raum mitbetrieben haben soll. Zwar ist der Mann öffentlich kaum in Erscheinung getreten, doch genau das scheint die neue Strategie zahlreicher Neonazis zu sein. „Das Klischee männlich, jung, gewalttätig beschreibt nur einen Teil der Rechtsextremen in Deutschland“, sagte Monika Lazar. Zum einen wachse der Anteil an Frauen, zum anderen komme perfekt gestalteten Internetseiten zur Vernetzung von Aktivisten und Sympathisanten eine immer wichtigere Rolle zu.
Lazar kennt sich mit dieser Problematik aus. Seit 2005 sitzt sie für die Grünen im Bundestag und ist dort Sprecherin für Frauenpolitik und für Strategien gegen
Rechtsextremismus. Gemeinsam mit ihrer neuen Kollegin Beate Walter-Rosenheimer, die durch den Abend führte, war sieam Donnerstag inGermering zu Gast, um über Frauen in der Nazi-Szene zu sprechen. Ergänzt wurden ihre Ausführungen von dem Germeringer Landtagsabgeordneten Sepp Dürr, der auf die Neonaziszene in Bayern einging. Beide Redner machten deutlich, dass Rechtsextremismus zwar in Ostdeutschland weiter verbreitet ist, doch auch in Bayern alarmierende Tendenzen aufweist. Und: „Die Rolle der Frauen wird generell unterschätzt“, sagte Lazar.
Nach Angaben der Leipziger Politikerin ist die rechte Szene in Deutschland zu 30 bis 40 weiblich. Zwar sind nur fünf bis zehn Prozent der Frauen gewaltbereit, allerdings stellen sie rund ein Drittel der Wähler rechtsextremer Parteien und stabilisieren die Szene als Mütter und Partnerinnen von Neonazis nach innen. Laut Lazar streben Nazi-Frauen gerne in pädagogische Berufe oder engagieren sich in Elterninitiativen, um auf diese Weise Einfluss zu üben. Sind sie erst einmal in solchen Posten angelangt, bekommt man sie schwer wieder los. In der breit gefächerten rechten Szene seien Frauen noch schwerer zu erkennen als Männer, warnte Lazar.
Daher gelte es, besonders genau hinzusehen. Gerät eine rechtsextreme Frau in die Öffentlichkeit, wie Beate Zschäpe von der Zwickauer Terrorzelle, werde die Gefahr nicht ernst genommen, kritisierte Lazar. Während Männer in der rechten Szene als Kämpfer und Kinderproduzenten gelten, sei es die wichtigste Aufgabe der Frauen, viele Kinder zu gebären. Emanzipation und Feminismus gelten bei ihnen daher ebenso als Horrorszenarien wie Homosexualität. Teil der rechtsextremen Strategie, sich nicht zu erkennen zu geben, sei auch ein Schwenk auf vermeintlich grüne Themen: So fordere die sächsische NPD-Fraktion Verbraucher auf, gesunde, gentechnikfreie Lebensmittel einheimischer landwirtschaftlicher Betriebe zu kaufen. „Das könnte auch auf einem Flyer der Grünen stehen“, sagte Lazar.
Doch egal, ob von Frauen oder Männern: In Bayern wird die rechte Gefahr nach Auffassung von Sepp Dürr insgesamt nicht ernst genommen. Erschütterndstes Beispiel sei die Neonazi-Mordserie: Die Hilflosigkeit der Behörden, die dadurch offenbart wurde, habe bayerische Neonazis geradezu angestachelt. Seit Bekanntwerden der Mordserie würden sie rotzfrech auftreten, rechtsextremistische Übergriffe hätten in ihrer Intensität zugenommen – „das ist mittlerweile sogar dem Innenminister aufgefallen.“ Doch der Freistaat gehe nicht energisch genug dagegen vor. Im Vergleich zu Berlin, wo Polizisten Konzerte mit volksverhetzenden Liedern rigoros abbrächen, würden bayerische Beamte darüber einfach nicht geschult. Stattdessen würden Demokraten, die gegen Rechts auf die Straße gehen, als Linksextremisten verteufelt. Die Grünen-Stadträtin Angelika Kropp-Dürr fand es bezeichnend, dass die Leistungen für Asylbewerber in 19 Jahren nicht erhöht wurden. Ihr Mann pflichtete ihr bei: „Solange Personen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, wird es Rechtsextremismus geben.“
Petra Fröschl
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Quelle: www.sz-content.de