Prüfungsaufgabe Frauenpolitik: "Tatkraft statt hohles Ritual"

Pressebericht, www.news.de, 08.03.2010

Feministin Alice Schwarzer fordert die Abschaffung des Frauentags, die Opposition im Bundestag kritisiert Familienministerin Kristina Schröder (CDU). News.de sprach mit der Grünen-Frauenbeauftragten im Bundestag, Monika Lazar, über Sinn und Unsinn des 8. März.

Immer wieder plädieren Prominente, jüngst zum Beispiel Alice Schwarzer, für die Abschaffung des Frauentages. Brauchen wir den Frauentag und wenn ja, warum?

Lazar: Einen Tag, an dem jährlich Bilanz in Sachen Gleichstellung gezogen wird, finde ich sinnvoll. Allerdings darf das nicht zum hohlen Ritual verkommen, wie es in den Anträgen von Union und FDP zum Ausdruck kommt. Da werden lauthals die Defizite bei der Gleichstellung beklagt, aber konkrete Vorschläge, was dagegen zu tun ist, gibt es keine. Stattdessen macht die Regierung Frauenpolitik zu einer Prüfaufgabe. Das ist absolut unzureichend. Klar ist aber auch: Frauenpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die weder in einem einzigen Ressort noch an einem einzigen Tag zu erledigen ist. Deshalb setze ich mich für das Prinzip des Gender Mainstreaming ein, das neben der Analyse der Auswirkungen von Politik auf Frauen und Männer auf eine klare Förderung des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts setzt.

Wie stehen Sie zu den Plänen von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zur Förderung von Jungen und zu ihrer Ablehnung einer Frauenquote?

Lazar: Ich würde mir zunächst wünschen, dass sie etwas mehr Frauenministerin wird. Und natürlich muss eine Geschlechterpolitik auch die Belange von Jungen und Männern beinhalten - so steht es dementsprechend auch im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen. So fordern wir eine solide Erforschung der Ausprägungen der Gewalt, die gegen Männer verübt wird. Aber Chancengleichheit und Rollenvielfalt bringen Vorteile für beide Geschlechter. Gerne wüssten wir von Frau Schröder etwas konkreter, was sie in diesen Bereichen machen will, aber hier hält sie sich sehr bedeckt. Wir würden sie lieber an ihren Taten statt an ihren Ankündigungen messen.

Also führt an der Frauen-Quote kein Weg vorbei?

Lazar: Wir Bündnisgrünen wissen, dass nur eine Quote die Geschlechterverhältnisse in überschaubarer Zeit in Bewegung bringt. Wir haben damit als Partei sehr gute Erfahrungen gemacht. Die freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeberverbänden und Bundesregierung zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft von 2001 hat dagegen beispielsweise überhaupt nichts gebracht. Daher fordern wir eine verbindliche Quote von 40 Prozent für Frauen bei den Aufsichtsräten.

Was muss Frauenpolitik heute leisten?

Lazar: Viele Themen sind leider über die letzten Jahre und sogar Jahrzehnte gleich geblieben. Von Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt sind wir weit entfernt. Der Lohnunterschied bleibt konstant bei 23 Prozent. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist gering. Gewalt gegen Frauen und Kinder ist weiterhin ein großes Problem. Gleichstellung ist nach wie vor ein uneingelöstes Versprechen. Wir wollen eine neue Solidarität zwischen den Geschlechtern. Wir wollen uns vom Modell des Alleinernährers, der mit seinem Gehalt die Familie ernähren muss, ebenso verabschieden, wie von dem der teilzeitbeschäftigten Zuverdienerin, die ihre eigene Existenz nicht sichern kann. Frauen und Männer sollen auf gleicher Augenhöhe miteinander umgehen, gleiche Chancen und Rechte haben.

Junge Frauen wollen Beruf und Kinder, ohne dabei in eine finanzielle Abhängigkeit zu geraten - sei es vom Ehemann, von der Partnerin oder dem Partner oder vom Staat. Wir brauchen einen Feminismus für die neue Zeit, der solidarisch und generationenübergreifend ist. Verbündete kann dabei eine neue Männergeneration sein, aufgewachsen mit erwerbstätigen Müttern und gut ausgebildeten Schwestern, die Gleichberechtigung im Alltag bereits erlebt hat.

Monika Lazar ist Sprecherin für Frauenpolitik im Bundestag. Ihre ersten politischen Schritte machte sie Ende der 1980er Jahre in einer Umweltinitiative im Landkreis Leipzig. Mitglied im Bundestag ist sie seit 2005. Neben der der Frauenpolitik zählt der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung zu ihren politischen Schwerpunkten.

Von news.de-Redakteurin Andrea Schartner
Quelle: www.news.de