Bildungschipkarte für Kinder mit ALG II Bezug

Information, 29.08.2010

Beschluss der LAG Soziales vom 21.08.2010

Im Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht in ihrem Urteil zu den Regelleistungen im SGB II ("Hartz IV") u. a. festgestellt, dass das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums genügt.
Das Gericht forderte, einen eigenständigen Regelsatz für Kinder zu berechnen, transparent zu machen und umzusetzen. Bis zum Jahresende muss eine Neuregelung getroffen werden. Die zuständige Bundesministerin Frau von der Leyen schlägt die Bildungschipkarte für Kinder mit ALG II Bezug vor.

Die LAG Soziales von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen lehnen die Bildungschipkarte für Kinder mit ALG II Bezug ab.

Dieser Vorschlag ist eine Alibipolitik, weil sich die Bundesregierung vor der Berechnung eines eigenständigen Regelsatzes für Kinder und der Erhöhung drückt. Modellprojekte in wenigen Städten entsprechen nicht dem Urteil, für alle Kinder bis zum Ende des Jahres einen neu berechneten eigenständigen Regelsatz einzuführen, der ein tatsächliches Existenzminimum gewährt. Die Bildungschipkarte ist zudem ungerecht, weil Angebote regional sehr unterschiedlich bereitgestellt werden.

Insbesondere im ländlichen Raum dürfte es viel weniger Möglichkeiten geben, die Chipkarte zu nutzen. Außerdem gehen Bildungsangebote an den derzeitigen Problemen vieler betroffener Kinder vorbei: wenn am Ende des Monats kein Geld mehr für Frühstück und Mittagessen da ist, hilft auch kein Musikangebot! Wenn die Bundesregierung die im Urteil geforderten Bildungsleistungen als Gutscheinlösungen aus der Berechnung herausnehmen möchte, verschärft sie sogar die Lage der Kinder. Denn dort, wo die Gutschriften nicht genutzt werden (können), kommt die geforderte Erhöhung nicht bei den Kindern an.

Wir fordern stattdessen:

  1. Die kurzfristige Ermittlung und Einführung eigener Regelsätze für alle Kinder, die die tatsächlichen Bedarfe in den verschiedenen Altersgruppen abbildet.
  2. Die Einführung einer Kindergrundsicherung, die bedingungslos, automatisch und regelmäßig allen Kindern zugewiesen wird und die unabhängig vom Familienstand der Eltern eine eigenständige materielle Absicherung garantiert.
  3. Investitionen in die Bildung- und Betreuungsinfrastruktur, d. h. in den Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen sowie ein umfassendes Mobilitätsangebot für alle Kinder. Dazu gehört auch die Bereitstellung eines Mittagessens und von Lernmitteln. Das kommt wirklich allen Kindern zu Gute.
  4. Den Erhalt bzw. Förderung von wohnortnaher Freizeit- und Bildungsinfrastruktur. Offene Kinder- und Jugendarbeit ist eine niederschwellige Infrastruktur, die gerade landesweit zerstört wird. Wir halten es für sinnvoll, diese oft gewachsenen Orte zu erhalten.