Am 12. Januar 2016 lud ich zu einer Diskussion über das Thema "Unbegleitete minderjährige Ausländer" (UmA) ins Pögehaus in Leipzig ein. Auf dem Podium diskutierten die jugendpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Beate Walter-Rosenheimer, die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Petra Zais, der Leiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung in Leipzig, Nicolas Tsapos, sowie der Geschäftsführer des FAIRbund e.V., René Boitz. Der Einladung waren über 40 BetreuerInnen aus Einrichtungen für UmA, MitarbeiterInnen des Jugendamtes sowie weitere Interessierte gefolgt.
Die hohe Zahl an plötzlich nach Leipzig kommenden unbegleiteten minderjährigen Ausländern hat die Behörden hier, wie in vielen Teilen Deutschlands, vor große Herausforderungen gestellt. Während in den vergangenen Jahren lediglich um die 20 dieser Jugendlichen nach Leipzig kamen, waren es 2015 auf Grund der generell hohen Zahl an Geflüchteten und einer gesetzlichen Änderung über 400. Dies zu bewältigen, erfordere viel Energie und an der ein oder anderen Stelle auch eine gewisse Improvisation, so die DiskussionsteilnehmerInnen. Hierbei müsse jedoch immer das Wohl der Minderjährigen im Vordergrund stehen. Sowohl bei der Betreuung als auch in den Behörden mussten zahlreiche Stellen neu geschaffen und besetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob nach der Bewältigung der akuten Notsituation nun auch wieder stärker die Arbeitsbedingungen der Betreuenden in den Fokus gehören. So wurde beispielsweise angesprochen, dass Nachtdienste auch als solche bezahlt werden müssen, da die Jugendlichen insbesondere in den späten Abendstunden mit Problemen zu den MitarbeiterInnen kommen. Eine reine Nachtbereitschaft sei an dieser Stelle nicht ausreichend. Zudem wurde erörtert, ob und in wie weit die Qualifikationsanforderungen an die Betreuenden herabgesetzt werden können. Viele VertreterInnen der anerkannten Träger der Jugendhilfe sehen darin die Gefahr, dass auch an anderen Stellen die lange erkämpften Standards geschleift werden.
Weiterhin wurde auch über die Möglichkeiten der Unterbringung in Pflegefamilien gesprochen. Neben der Unterbringung in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe (betreute WGs) ist dies ein anderer Weg, der von Leipzig aktuell stark forciert wird. Ein Pflegevater aus dem Publikum sprach an, dass die Pflegeeltern einen großen Beratungsbedarf haben und vom Amt auf keinen Fall allein gelassen werden dürften.
Ein Hauptpunkt der Diskussion war auch die Beschulung von minderjährigen Geflüchteten. Hier gibt es in Sachsen immer noch große Verzögerungen, bevor ein passender Schulplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Insbesondere die Ausbildung an Gymnasien in entsprechenden Klassen für Deutsch als Zweitsprache ist immer noch nicht möglich. Aber auch auf Grundschul- und Mittelschulplätze müssen die Jugendlichen (egal ob begleitet oder unbegleitet) oft monatelang warten. Petra Zais, die auch schulpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion ist, hat sich dieses Themas bereits in der Vergangenheit angenommen und wird ihr Engagement noch einmal verstärken, hier auf die Landesregierung entsprechend einzuwirken.
Aus dem regen Meinungsaustausch mit PodiumsteilnehmerInnen und dem Fachpublikum konnten auch Beate und ich viele Anregungen für unsere Arbeit in Berlin mitnehmen. Zum Ende der Veranstaltung wurde uns von Nicolas Tsapos insbesondere das politisch diskussionswürdige Problem mitgegeben, dass es für alle Beteiligten frustrierend sei, wenn die intensiven Bemühungen der BetreuerInnen erfolgreich sind, ein Jugendlicher sich gut integriert und dann mit dem 18. Geburtstag ein Asylverfahren eröffnet wird, das auf diese Umstände keine Rücksicht mehr nimmt.
[Grüner Antrag "Das Kindeswohl bei der Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge absichern"]
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