Wolfgang Wieland und Monika Lazar besuchen im Rahmen der „Polizeitouren“ die neuen Bundesländer. Mit den Polizeitouren will die Grüne Bundestagsfraktion herausfinden, wie die Bundesländer den Bedrohungen durch Rechtsextremismus begegnen. Am 30. März waren Erfurt und Weimar Stationen der Tour. Unterstützt wurde der Besuch in Thüringen von der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Auch die Thüringer Landespolitiker Dirk Adams (MdL) sowie Madeleine Henfling und Dieter Lauinger (Landesvorsitzende) schlossen sich an.
Der Besuch in Thüringen begann bei der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit). Mobit unterstützt Initiativen, Projekte und Einzelpersonen im Kampf gegen Rechtsextremismus.
In dem Gespräch schilderte Mobit vor allem den Kampf gegen Rechtsextremismus in Thüringen und die Zusammenarbeit mit der Polizei. Problematisch sei, dass es für die Polizei zur Zeit nur rechte und linke GewalttäterInnen gebe, ohne den großen Block der gesellschaftlichen Mitte hinreichend zu berücksichtigen. Als Beispiel wird der 1. Mai 2010 genannt. Zivilgesellschaftliche Akteure seien im Vorfeld von rechten Demonstrationen durch die Polizei zunehmend eingeschüchtert worden, z.B. durch die Ankündigung von massivem Wasserwerfereinsatz. Viele hätten sich daher nicht mehr getraut, an Gegendemonstrationen teilzunehmen und seien verunsichert, wieweit sie Widerstand leisten dürften. Über die neue Strategie der Polizei sei man bei Mobit sehr verwundert, denn bisher sei die Zusammenarbeit der Polizei mit der Zivilgesellschaft sehr konstruktiv gewesen.
Rechte Strategie: Seriösität vermitteln und Angsträume schaffen
Zur Entwicklung der Rechten in Thüringen, hat Mobit den Eindruck, dass die die Rechten in Thüringen sich aufspalten. Ein Teil wolle den Anschein von Seriosität erwecken und sich z.B. in Schulen oder der Kirche als gesellschaftliche Kraft etablieren. Zugleich schaffen gewaltbereite Gruppen Angsträume und „No Go Areas“. Gewaltbereite Jugendlich würden durch einen starken Fokus auf Heimatverbundenheit rekrutiert. Eine andere häufig genutzte Rekrutierungsmethode bildeten Subkulturen. In Thüringen finden drei bis vier große Festivals statt, die rechtmäßig abgehalten werden und daher nicht verboten werden können. Vor allem Rock für Deutschland in Gera ziehe jedes Jahr 3000 - 4000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.
Die Extremismusklausel sorge für großen Druck und Verunsicherung bei der Zivilgesellschaft. Es sei sehr schwierig, für den „Nichtextremismus“ der Partner zu bürgen.
Bei dem Besuch im Innenministerium machte der Innenminister Jörg Geibert deutlich, dass der Schwerpunkt der Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz in Thüringen bei der Bekämpfung rechter Kriminalität liege.
Eine besondere Herausforderung in der polizeilichen Bekämpfung von rechten Demonstrationen seien die ungünstigen Urteile zu Blockaden. Die Polizei müsse nun Bürgerinnen und Bürgern entgegentreten, um die Demonstrationsfreiheit Rechter zu schützen. Das sei der BürgerInnen nicht zu vermitteln.
Hoher Verfolgungsdruck gegen Rechts
Der Minister weist darauf hin, dass Thüringen den Verfolgungsdruck gegen Rechte hoch halte. Jedes noch so kleine Delikt – auch die vielen Propagandadelikte – würden verfolgt und geahndet. An vielen Orten finden fast wöchentlich rechte Veranstaltungen statt, auch hier halte die Polizei den Verfolgungsdruck z.B. durch Kontrolle der Reifen oder des Blutalkohols hoch. Das sei sehr erfolgreich, aber zugleich eine hohe Belastung für Polizei und Kommunen. Der Erfolg zeige sich auch darin, dass Thüringen eines von drei Bundesländern ist, in denen NPD/Rechte noch nie im Landtag waren. Allerdings waren die Rechten bereits in zwei Dutzend lokalen Parlamenten vertreten. Auch die Justiz arbeite grundsätzlich schnell und die Verurteilungen entsprächen grundsätzlich dem Antrag. Besonders erfolgreich seien bei Jugendlichen sozialpädagogische Einwirkungen durch Hilfen aus einer Hand bei Jugendlichen, z.B. in Weimar. Leider hätten Kommunen dafür zumeist kein Geld.
Thüringen setzte sich nach wie vor in der Innenministerkonferenz für ein NPD-Verbotsverfahren ein. Allerdings nur, wenn nicht erneut eine Niederlage drohe, die müsse unbedingt vermieden werden.
Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel, erläuterte aktuelle Entwicklungen beim Rechtsextremismus in Thüringen. Die ca. 1000 – 1200 Rechtsextremen lassen sich in drei Gruppen aufteilen: NPD, Neonazis und Subkulturelle (Skinheads). Die NPD sei innerparteilich stark zerstritten und habe finanzielle Schwierigkeiten. Es sei ihr aber gelungen, die Neonazis in die Partei zu integrieren und/oder eng zu kooperieren. Herr Sippel bestätigte den Eindruck von Mobit, dass Rechte – mit unterschiedlichem Erfolg – versuchen, sich den Anschein der Bürgerlichkeit geben. Regionalzeitungen werden als Mittel zur kommunalen Verankerung genutzt und um BürgerInnen an nationalistische Themen heranzuführen.
Anschließend wurde das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit vorgestellt. Grundanliegen sei die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, auch wenn bei einigen Initiativen wohl ein anderer Eindruck entstanden sei.
Auch der Referatsleiter Einsatz im Thüringer Innenministerium betonte noch einmal das entschlossene und konsequente Vorgehen der Polizei gegenüber allen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Thüringen. Der ständige und konsequente Verfolgungsdruck, z.B. durch Verkehrskontrollen, ziehe sich wie ein roter Faden durch die Arbeit der Polizei. Es bestünden umfassende Fortbildungsmöglichkeiten für PolizistInnen. Auf Nachfrage von Wolfgang Wieland wurde allerdings eingeräumt, dass diese bei der Beförderung bislang keine Rolle spielten.
Die Polizei in Weimar verfolgt rechte Aktivitäten sehr konsequent und erfolgreich. Die sehr gute Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung wird von dem anwesenden Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus bestätigt.
Polizeigesetze voll ausreizen
Auch die Polizei in Weimar setzt auf ständigen und konsequenten Verfolgungsdruck. Das Polizeigesetz und sonstige Möglichkeiten werden voll ausgereizt, z.B. durch Straßenkontrollen oder Hausverbote. Das führt dazu, dass Polizeibeamte nun von Rechten straf- und verwaltungsrechtlich angezeigt werden. Es komme zudem vor, dass Polizeibeamte zu Hause, im Internet oder auch in Songtexten angegriffen würden. Bei jeder rechten Aktion seien Polizei und/oder das Bürgerbündnis gegen Rechts anwesend. Problematisch sei auch in Weimar, dass Rechte nicht mehr leicht zu erkennen seien, da sie bürgerlich auftreten. Allerdings sei Weimar bei der Verfolgung von Rechtsextremismus so erfolgreich, dass die Szene sich in das Weimarer Land oder nach Erfurt verlagere. Relativ neu sei das Phänomen, dass Nazis in die Rockerszene wechselten und dort zu führenden Gruppenmitgliedern würden.
Vor allem die Gedenkstätte Buchenwald werde vor Rechten geschützt. Das Vorgehen der Polizei wird am Beispiel der Kameradschaft Aachen dargestellt. Diese wollte nach Buchenwald kommen und sich in der Gedenkstätte in provokanter Pose fotografieren lassen. Das stellt an sich keine Straftat dar. Die Polizei machte aber durch eine Gefährderansprache schon im Vorfeld klar, dass mit Hilfe der Regelungen des Hausfriedensbruchs und einer sehr niedrigschwelligen Annahme einer Störung der öffentlichen Ordnung die Kameradschaft nicht auf das Gelände Buchenwald gelangen werde. Die Kameradschaft hat dann von einem Besuch der Gedenkstätte abgesehen.
Besonders hervorgehoben wird in Weimar das Modell der Jugendstation, wo Jugendamt, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe sich um rechte Jugendliche kümmern. Die Hilfe unter einem Dach sei sehr erfolgreich.