20.11.2006

Experten kritisieren alleiniges Antragsrecht der Kommunen und einseitigen Jugendbezug im neuen Programm des Bundes gegen Rechtsextremismus

Zur Anhörung „Arbeit gegen Rechtsextremismus – Auswertung und Weiterentwicklung“, die heute im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stattfand, erklärt Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:

Der zivilgesellschaftliche Ansatz der auslaufenden Bundesprogramme „Civitas“ und „entimon“ ist in Gefahr. Darauf wiesen heute Fachleute während der Debatte zur Ausgestaltung der neuen Bundesprogramme immer wieder hin. Mit großer Skepsis wurde das Vorhaben der Bundesregierung kommentiert, nur den Kommunen ein Antragsrecht einzuräumen. Die Einbindung der Kommunen sei zwar notwendig, deren Programmträgerschaft jedoch äußerst fragwürdig.

Einigkeit bestand darin, dass die Arbeit bewährter Initiativen verstetigt werden muss. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund einer zunehmenden Akzeptanz von Ungleichwertigkeitsvorstellungen in der Bevölkerung und einer wachsenden Verankerung rechtsextremer Organisationen in sozialen und politischen Strukturen vor Ort. Begrüßt wurde die Bereitstellung von 5 Millionen Euro zusätzlich für Strukturprojekte mit Beratungsansatz. Bedenken gab es allerdings angesichts der Pläne, eine zentrale „task force“ damit zu finanzieren, da diese nicht kompetent auf die komplexen regionalen Aufgaben reagieren könnte. Vor dem Aufbau sinnloser „Parallelstrukturen“ warnten die Experten nachdrücklich.

Auf Kritik stieß auch die einseitige Konzentration auf Jugendliche. Dieses Vorgehen ignoriert rechtsextremes Denken und Wahlverhalten, welches in hohem Maße ebenso unter Erwerbstätigen und RentnerInnen zu finden ist. Experten forderten daher einen gesamtgesellschaftlichen Blick, der alle Altersgruppen berücksichtigt.

Die Auseinandersetzung muss dabei komplex geführt werden und noch stärker als bisher etablierte Strukturen einbinden wie zum Beispiel Sportvereine, Jugendfeuerwehren oder Gesangsvereine. Eine Vernetzung mit staatlichen und öffentlichen Stellen ist ebenfalls unerlässlich. Eine besondere Rolle spielen dabei die Bildungseinrichtungen. Aber auch Polizei und Wirtschaft müssen noch mehr sensibilisiert werden.

Ein solcher breiter Ansatz braucht außerdem eine interkulturelle Öffnung auf allen Ebenen. Zu erfolgreicher Demokratiearbeit gehört, dass wir keine Diskriminierung und Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund dulden und ihnen einen gleichberechtigten Platz in unserer Gesellschaft ermöglichen – und damit rechtsextremer Propaganda aktiv ein eigenes Konzept entgegensetzen.

Rechtsextremismus präsentiert sich heute „modern“, „innovativ“ und „sozial anschlussfähig“. Dem muss durch gestärktes bürgerschaftliches Engagement auf breiter Basis begegnet werden. Ein zentralistischer Ansatz, bei dem die Verantwortung allein auf Kommunalverwaltungen liegt, wird diesem Anspruch nicht gerecht.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Erfahrungen und Anregungen der Fachleute ernst zu nehmen und in die neue Programmgestaltung zu integrieren.

 

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