Chemnitzer Zeitung, 19. März 2009

Hakenkreuzfall: Rebecca K. ist ihren Preis gleich zweimal losgeworden

Die junge Frau hatte ihre Urkunde vor Wochen zurückgegeben - Nun hat ihr das Bündnis für Demokratie und Toleranz die Auszeichnung noch einmal aberkannt

Mittweida. Verwirrender Schlussakt im Hakenkreuzfall von Mittweida: Rebecca K., die einen Neonazi-Überfall vorgetäuscht haben soll, wurde der Preis aberkannt, den sie für ihre vermeintliche Zivilcourage bekommen hatte. Allerdings hatte die Mittweidaerin den Preis schon vor Wochen von sich aus zurückgegeben. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz, das der 19-Jährigen die Ehrung Februar 2008 verliehen hatte, wollte die Rückgabe nicht anerkennen - aus formalen Gründen.

Still und heimlich hatte Rebecca K. ihre Urkunde Ende 2008 an die Bündnis-Geschäftsstelle in Berlin geschickt. Der Umschlag trug keinen Absender, es gab kein Anschreiben. Rebeccas Anwalt Axel Schweppe erklärte zwar, dies sei als Rückgabe zu interpretieren, aber beim Bündnis sah man das nicht so eindeutig.

"Wir waren der Meinung, dass diese Darstellung nicht zutrifft", sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar, die zum Beirat des Bündnisses gehört. Zusammen mit der Sozialdemokratin Cornelie Sonntag-Wolgast hatte sie dafür gesorgt, dass das ang Nazi-Opfer ausgezeichnet wurde, obwohl bereits damals Zweifel an Rebeccas Geschichte lautwurden und Ermittlungen gegen sie liefen. "Sie hätte uns die Rückgabe direkt mitteilen müssen. So war es kein offizieller Akt", meinte Lazar weiter. Deshalb ist Rebecca K. ihren Preis am Montagabend noch einmal losgeworden - hochoffiziell diesmal. Als Begründung führte das Bündnis das Urteil des Amtsgerichts Hainichen an, das seit kurzem rechtskräftig ist. Die junge Frau war wegen Vortäuschens einer Straftat zu 40 Arbeitsstunden verurteilt worden. Sie hatte behauptet, Neonazis hätten ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt. Mehrere Anwohner sollen vom Balkon aus tatenlos zugesehen haben. Das Gericht sah es hingegen als erwiesen an, dass Rebecca K. sich die Verletzung selbst beigebracht hat. Bei der verspäteten Aberkennung der Ehrung dürfte es den Bündnismitgliedern auch darum gegangen sein, das Gesicht zu wahren.

Im Falle der Mittweidaerin hatten sie einen Preis erstmals im Eilverfahren vergeben, was prompt daneben ging. "Hätten wir uns an das übliche Prozedere gehalten, wäre Rebecca erst ein halbes Jahr später drangewesen", räumt Lazar ein. Zu diesem Zeitpunkt war die junge Frau schon angeklagt worden. Die Bündnismitglieder haben inzwischen festgelegt, nie wieder solche Eilentscheidungen zu treffen.

Mittweidas Oberbürgermeister Matthias Damm (CDU) reicht das nicht. Er verlangt vom Bündnis gegenüber den Bürgern Mittweida, offiziell klar zu stellen, dass die Vergabe des Preises ein Fehler war. Lazar bezeichnete Damms Forderung als Nachtreten: "Wir haben uns gegenüber den Mittweidaern nichts zu Schulden kommen lassen." Damm sieht das anders. In die Aussage, man glaube Rebecca K. und verleihe ihr deshalb den Preis, sei eingeschlossen gewesen, dass man auch die Behauptung glaube, die Mittweidaer hätten eine Gewalttat ohne Einschreiten geschehen lassen. Gerade das angebliche Wegschauen habe die Bürger der Stadt weltweit in Misskredit gebracht. Er fordere deshalb weiterhin eine Entschuldigung des Bündnisses bei den Mittweidaern.

Mario Ulbrich

 


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