12.06.2007
Mit Kultur, Zivilcourage und Ehrlichkeit gegen Neonazis vorgehen
Zu dem brutalen Überfall auf Mitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters durch Neonazis in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) erklärt Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:
Wir sind bestürzt über den brutalen Angriff, den Neonazis in Halberstadt auf die Ensemblemitglieder verübt haben. Den Betroffenen und ihren Angehörigen wünschen wir von Herzen, dass sie sich bald körperlich und psychisch erholen.
Dieser jüngste Neonazi-Überfall ist leider einer von vielen rechtsextremen Gewaltakten in unserem Land. Es ist beschämend, dass mehrere Jahrzehnte nach Ende der Hitlerdiktatur noch immer Menschen vor Aller Augen durch Rechtsextreme verletzt werden, ohne dass jemand den Opfern hilft. Unsere gesamte Gesellschaft muss sich fragen, wo die Versäumnisse liegen, wenn schon eine Punkfrisur genügt, um derartige Aggressionen bei jungen Tätern hervorzurufen.
Zu begrüßen ist das Eingeständnis der Polizeipräsidentin Christiane Marschalk, dass der Polizei zahlreiche Fehler und Pannen am Tatort unterlaufen sind. Solche Ehrlichkeit ist die Voraussetzung für Veränderungen zum Besseren. Nun erwarten wir zügige und effiziente Ermittlungen, damit die Täter ihrer Strafe zugeführt werden.
Der traurige Vorfall zeigt, wie stark rechtsextreme Verhaltensweisen im Alltag unseres Landes verankert sind – und sich längst nicht nur auf Menschen mit Migrationshintergrund beziehen. Es ist dringend notwendig, dass Politik und Polizei in Halberstadt – und auch sonst in Deutschland - stärker als bisher mit lokalen Initiativen zusammenarbeiten und sich beraten lassen. Auch die Bevölkerung muss zu mehr Zivilcourage und Engagement ermutigt werden, da die Umstehenden offenbar zu hilflos oder zu gleichgültig waren, um einzuschreiten.
Das Theaterensemble will trotz allem noch diese Woche mit der Vorstellung fortfahren. Dieser Entschluss verdient hohe Anerkennung und ist ein richtiger Schritt. Wir ermutigen alle Ensemblemitglieder, sich nicht einschüchtern zu lassen und weiterhin Kultur vor Ort zu präsentieren. Zivilcourage und gute Angebote tragen wesentlich dazu bei, eine Hegemonialstellung von Rechtsextremen in kleineren Orten zu verhindern. Wo es keine bunte, demokratische Kultur mehr gibt, haben Neonazis ein „leichtes Spiel“.
Der Übergriff hat wieder gezeigt, dass wir alle noch viel mehr tun müssen, um Neonazis in die Schranken zu weisen. Deshalb treten wir ein für mehr Dialog über wirksame Strategien und bessere Vernetzung von Akteuren gegen Rechts. Wir fordern die große Koalition noch einmal nachdrücklich auf, erfolgreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die durch die rot-grünen Bundesprogramme entstanden sind, abzusichern – sie werden heute mehr denn je vor Ort gebraucht. Auch die Landesregierung Sachsen-Anhalt muss sich endlich angemessen an der Finanzierung beteiligen.
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