Schweriner Volkszeitung, 08. November 2008

Null Ahnung von Geschichte

BÜTZOW - Rechte Musik auf Computer und Handy, ausländerfeindliche Parolen auf dem Pausenhof, Eltern mit rechtsextremem Gedankengut - das gibt es in Bützow, so das Ergebnis des Workshops der Veranstaltungsreihe "Jugendkultur und Rechtsextremismus" am Donnerstag. Nach der Auswertungsrunde im Bützower Rathaus mit den Bundestagsabgeordneten Monika Lazar und Harald Terpe (beide Bündnis 90/Grüne), Experten vom "Archiv der Jugendkulturen", Stadtvertretern und Lehrern war aber auch klar: Hinnehmen darf man das nicht.

Mit Jugendlichen ins Gespräch kommen

Der Workshop "Jugendkultur und Rechtsextremismus" in der 8. und 9. Klasse der Käthe-Kollwitz-Regionalschule war zweigleisig angelegt: Einerseits informierten Gabriele Rohmann und ihr Team vom Jugendkulturen-Archiv die Schüler über die Jugendszene im Hip Hop, bei Graffiti, Punk, Techno oder Gothic - andererseits wollten sie mit den Jugendlichen über Rechtsextremismus ins Gespräch kommen.

Das brachte Erstaunliches zu Tage. "Als wir fragten, was denn das so genannte Dritte Reich gewesen sei, fragten die Schüler nur: ,Was ist das? Hat das nicht irgendwas mit Hitler zu tun?’", berichteten Frank Ehrlich und seine Kollegen vom "Archiv für Jugendkulturen". Auf die Frage nach Freizeitmöglichkeiten und politischen Einstellungen habe es von den Schülern geheißen: Freizeitangebote gebe es selten, rechtsextreme Gesinnung dagegen oft, so Gabriele Rohmann. "Fast jeder berichtete, schon mal mit Rechtsextremen zu tun gehabt zu haben", sagt Frank Ehrlich. Er sei besorgt, dass die Jugendlichen "sich nicht durch die Rechten bedroht fühlen". Die Jugendlichen litten an Langeweile und Orientierungslosigkeit.

Besonders prekär sei nach den Berichten der Schüler die Reaktion einer Lehrerin gewesen: Auf die Frage eines Schülers, weshalb sie noch nicht die Nazi-Zeit im Unterricht behandelt hätten, habe die Pädagogin geantwortet, das sei erst in der 10. Klasse vorgeschrieben. Die angebliche Begründung einer anderen Lehrerin dafür, nicht über Rassismus und Nationalsozialismus sprechen zu wollen: "Wir haben ein schwarzes Mädchen in der Klasse."

Eltern blocken ab und verharmlosen

Darüber kann Gudrun Radziwolek, Schulleiterin der Käthe-Kollwitz-Regionalschule nur den Kopf schütteln: "Das müssen Ausnahmen sein. Das Hitlerregime ist laut Rahmenplan ausführlich in der 9. Klasse Thema." Radziwolek nennt ein weiteres Problem beim Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen: "Wir müssen an die Eltern rankommen, aber das ist kaum möglich, weil die oft abblocken oder die Sache verharmlosen."

Bianca Lübke vom Jugendamt Güstrow kennt das: "Wir haben seit einem Jahr unseren lokalen Aktionsplan, die Eltern erreichen wir aber kaum." Sie habe beobachtet, dass sich rechtsextreme Strukturen gefestigt und geradezu professionalisiert hätten: "Es muss viel mehr getan werden."

Den Jugendlichen ein kulturelles Angebot zu liefern, ist auch das Anliegen von Gabriele Behning von der Bützower Stadtverwaltung. "Wir haben den Jugendklub wieder aufleben lassen, und auch den Freizeittreff gibt es schon." Dies und das nach den Stadtfest-Krawallen ins Leben gerufene "Bützower Bündnis für Demokratie und Toleranz" seien richtige Schritte, so Monika Lazar. Ihr Bundestags-Kollege Harald Terpe betonte: "Wir müssen mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen. Denn: Wenn wir es nicht tun, tun es die anderen."

von Katarina Sass
http://www.svz.de

 

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