STZ, 16.11.06

GRÜNE WERBEN FÜR REGIERUNGSPROJEKT - Neue Regeln für Kampf gegen Rechts

Wenn Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen für ein Programm der politischen Konkurrenz werben, das sie nicht einmal für gelungen halten, muss ihnen das Thema besonders am Herzen liegen. Der grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar liegt der Kampf gegen Rechts am Herzen, und so ist sie auf Werbetour für die „Maßnahmen zur Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ der CDU/SPD-Bundesregierung.

EISENACH – 2007 läuft ein neues Bundesprogramm für Initiativen gegen Rechtsextremismus an. Anträge dürfen nur noch die Kommunen stellen, die Zeit eilt. Den Informationsfluss findet Monika Lazar „nicht optimal“. Deshalb hat sie je ein Arbeitsgespräch in jedem neuen Bundesland vereinbart. Für Thüringen wählte sie Eisenach, da es hier sowohl aktive rechtsextreme Gruppen als auch Gegenbewegungen gibt, und die Verwaltung als offen gilt. Die Grünen hoffen, dass hier neue Projekte zustande kommen. Bereits das große Interesse an dem Fachgespräch mit dem Titel „Zwischen Abwicklung und Neuorientierung – kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus“ schien sie zu bestätigen: Neben Politikern verschiedener Parteien waren Vertreter von Verwaltung, Vereinen, Initiativen, Gewerkschaften und der Polizei gekommen. Die Landessprecherin der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, eröffnete mit Kritik an der Regierung des Freistaates, da die Initiative MOBIT (Mobile Beratung in Thüringen) ab Mitte nächsten Jahres nicht mehr finanziert wird. „Das ist sehr traurig und bedenklich“, sagte die Politikerin.

Programm mit Tücken
Auch das neue Programm hat ihrer Ansicht nach „seine Tücken“, zum Beispiel, weil es bewährte Initiativen wie MOBIT von der Förderung ausschließt. Aber sie will trotzdem dafür werben: „Wir müssen alles tun, was möglich ist, um gegen den Rechtsextremismus zu kämpfen“.

Was möglich ist, erklärte Lazar genauer. Die Bundesregierung wird die bisherigen Programme ab 2007 ersetzen. Den Schwerpunkt bilden dann lokale Aktionspläne. Neu ist, dass sich dafür keine freien Träger mehr bewerben können, sondern nur noch Kommunen. Die Politikerin findet das bedauerlich für Regionen, in denen Rechtsextremismus nicht als Problem erkannt wird und engagierte Bekämpfer als Nestbeschmutzer gelten. Außerdem kritisierte sie die Kürze der Antragszeit bis Ende Dezember. Bearbeiten soll sie eine Koordinierungsstelle, die noch gar nicht existiert, so dass zunächst die Stiftung „Demokratische Jugend“ Ansprechpartner ist. Diese soll bis Ende Januar ein Ranking erstellen, das zurück an die Länder und die kommunalen Spitzenverbände geht. Deren Vorschläge gehen ans Bundesfamilienministerium, das Ende Februar über die Mittelvergabe entscheidet. Die Kommunen müssen lokale Aktionspläne erstellen, ab Mai sollen die Gelder ausgereicht werden.

Qualifiziert begründen
Lazar empfahl, die Anträge qualifiziert zu begründen, da nur etwa 100 Projekte bewilligt würden und mit einer weitaus höheren Zahl von Bewerbungen gerechnet wird. Auch sie kritisierte das Ende der Förderung für bewährte Projekte. Immerhin habe die CDU nach langwierigem Kampf zusätzliche fünf Millionen Euro für solche Beratungsangebote bewilligt.

MOBIT-Vertreter Matthias Müller erklärte, warum: Weil die NPD in den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wurde, denn „Rechtsextremismus ist ein Konjunkturthema, und wenn es keine Gewalttaten oder den Einzug in Parlamente gibt, existiert das Thema nicht“. Auch er ist nicht erfreut über das neue Programm. Es gebe viele Kommunen, die das Thema nicht wahrhaben oder zumindest geheim halten wollen, und die seien gerade in Thüringen in der Überzahl.

Für Projekte kämpfen
Außerdem befürchtet er, dass die Gelder für kurzfristig angelegte Imagekampagnen wie ein Konzert mit Konstantin Wecker ausgegeben werden und die Arbeit an der Basis zu kurz kommt. Deshalb empfahl er allen Interessenten, engagiert für ihre Projekte zu kämpfen und sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Das könnte auch „eine tolle Sache für die direkte Demokratie sein“, so Müller. Skeptisch ist er, wie Kommunen die lokalen Aktionspläne erstellen sollen, „das sind wissenschaftliche Arbeiten, dick wie Bücher“.

Als weitere Probleme wurde in der Diskussion angesprochen, dass bisher nirgendwo ausführliche Informationen zu dem Programm zu bekommen sind, dass Schulen keine Anträge stellen dürfen, und dass nicht alle Aktiven voneinander wissen. In Eisenach sollen sie jetzt zusammenkommen, um gemeinsam einen Antrag zu erarbeiten. Oberbürgermeister Matthias Doht sagte seine Hilfe zu, „wir müssen eindeutige Signale geben“. Ihn erschreckt besonders das Vorgehen „der modernen Nazis“, die in Bürgerversammlungen „sehr geschickt argumentieren“ und „viele gemeinnützige Vereine unterwandern“. Auch ihm missfällt die Anbindung der Projekte an die Kommunen und auch er ärgert sich über den Zeitdruck.

Enormer Kraftakt
„Das wird ein enormer Kraftakt“, so Doht. Vielleicht wolle das Ministerium zum Schluss sagen, das Interesse an dem Thema sei gering, vermutete Rothe-Beinlich als Grund für den schlechten Informationsfluss und die Eile. Aber sie ist bei Eisenach und dem Wartburgkreis „guten Mutes“, dass hier trotzdem reagiert wird. Lazar mahnte zur Eile: „Sie müssen sich ganz fix an einen Tisch setzen, um zu Potte zu kommen.“ Die Zeit drängt in Eisenach auch aus anderen Gründen: Am 19. Mai ist ein Thüringentag der nationalen Jugend geplant und es wird ein Burschenschaftstreffen stattfinden. (sus)


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