Nürnberger Nachrichten, 19.04.2007

LOKALMELDUNGEN - NÜRNBERG

«Rassismus ist salonfähig»
Grüne warnen davor, die rechte Szene zu unterschätzen

Eine «Infotour gegen Rechtsextremismus»? Das hört sich nach beschaulicher Kaffeefahrt an. Doch die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar stößt auf offenen und versteckten Rassismus und Rechtsextremismus auf ihrer Reise durch Deutschland.

Es gibt Regionen, vor allem in Ostdeutschland, in denen «Alltagsrassismus tief verankert ist». Fremdenfeindliche Parolen würden gar nicht mehr als solche wahrgenommen, berichtet die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Bundestagsfraktion, als sie in Nürnberg zu Besuch ist. Paradoxerweise sei das gerade in Gegenden der Fall, in denen kaum Ausländer leben würden. Aber auch an bayerischen Stammtischen seien solche Hetzparolen zu hören.

Die grüne Landtagsabgeordnete Christine Stahl glaubt, dass «Fremdenfeindlichkeit und Rassismus salonfähig geworden sind». Sie warnt davor, die rechtsextremistische Szene zu unterschätzen. Rechtsextreme würden sich immer besser vernetzen. Die NPD ist laut Verfassungsschutz «der Motor für die anhaltenden Versuche zur Einigung des rechtsextremistischen Lagers». NPD und DVU verzichten auf konkurrierende Kandidaturen bei Wahlen. Die NPD bindet immer mehr Skinheads ein. «Die hohe Präsenz von rechtsextremistischen Skinheads in den mittelfränkischen NPD-Strukturen hat weiter zugenommen», sagen Verfassungsschützer.

Mit Ralf Ollert sitzt bekanntermaßen der Vorsitzende der NPD in Bayern im Nürnberger Stadtrat. Am 1.Mai will die rechtsradikale Partei mit Unverbesserlichen durch Nürnberg ziehen. Stahl sagt, dass sich die NPD gezielt Mittelfranken ausgesucht habe, um zu agitieren. Die Partei verteilte zum Beispiel CDs mit Neonazi-Propaganda an Schulen (wie berichtet). Sie sei ganz stark im Umland aktiv, in Ansbach zum Beispiel oder im Landkreis Erlangen-Höchstadt, ohne dass die Lokalpolitiker das geringste Problembewusstsein entwickeln würden, kritisiert Stahl.

Mit dem Problembewusstsein ist das so eine Sache. Stahl wirft der bayerischen Staatsregierung vor, die Themen Rassismus und Rechtsextremismus zu vernachlässigen. Es gebe kaum Geld für Projekte gegen Rechts. Stattdessen würde sie zunehmend eine Atmosphäre schaffen, die auf Ausgrenzung ziele. Jüngstes Beispiel: die Rasterfahndung, die auch Unschuldige unter Generalverdacht stelle. Zudem nütze es wenig, wenn sich Innenminister Günther Beckstein bei Anti-Nazi-Demos an die Spitze stellen und einen Tag später wieder fremdenfeindliche Aussagen machen würde.

Lazar besuchte mit Stahl und Stadträtin Brigitte Wellhöfer die Arbeitsgruppe interkulturelle Qualifizierung im Pädagogischen Haus. Dann fuhr sie weiter nach Wunsiedel. Sie will sich über viele örtliche Projekte gegen Rechts informieren. Die würden immer wichtiger, sagt sie. Viele mit Bundesmitteln geförderte Initiativen bekämen bald kein Geld mehr, weil die rot-grünen Programme auslaufen.

Sabine Stoll
19.4.2007

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