Hamburger Abendblatt, 22.11.06

Hilft Keksebacken gegen Rechtsextremismus?

LÜBTHEEN WIE BÜRGER VERSUCHEN, DIE ERFOLGE DER NPD IN MECKLENBURGVORPOMMERN EINZUDÄMMEN

Neues Bundesprogramm stellt 19 Millionen Euro für Anti-Rechts-Aktionen und deren Vernetzung zur Verfügung. Die konkrete Umsetzung ist schwierig.
Von Hanna-Lotte Mikuteit

Lübtheen, zehn Wochen nach der Landtagswahl. Nichts in dem westmecklenburgischen Städtchen (Kreis Ludwigslust) deutet noch auf die monströse Wahlschlacht der NPD im Wohnort ihres Spitzenkandidaten Udo Pastörs. Äußerlich. Hinter der beschaulichen Fassade brodelt es. 16 Prozent der Lübtheener haben am 17. September NPD gewählt. Mit sechs Abgeordneten zogen die Rechtsextremisten in den Schweriner Landtag ein. "Wenn wir es nicht schaffen, die Werte der Demokratie zu vermitteln, haben diese Leute die Chance, immer mehr Bürger zu gewinnen", sagt Bürgermeisterin Ute Lindenau (SPD). Der erste Schock ist inzwischen verflogen, geblieben ist der Wille etwas zu tun - und tiefe Ratlosigkeit darüber, was das Richtige ist.

An vielen Orten in Deutschland - wie hier im brandenburgischen Seelow - wehren sich Bürger gegen das Vordringen Rechtsradikaler. Foto: rtr

Knapp 50 Männer und Frauen sitzen an langen Tischen in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportstätte. Die Grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar ist aus Berlin angereist, um über kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus zu reden. "Das Problem ist die Zeit danach, wenn es kein klares Ziel mehr gibt", sagt sie. Man müsse langfristig arbeiten, beispielsweise auf die nächste Kommunalwahl 2009 hin. Zuvor hat sie das neue Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus erklärt. Nicht etwa, weil sie es für gut hält, sondern - so Lazar - weil ihr die Sache am Herzen liege und es sonst niemand mache. "Es ist ein Schnellschuss, geht an der Praxis vorbei und überfordert die Kommunen", kritisiert sie das 19-Millionen-Euro-Paket von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Es setzt vor allem auf lokale Vernetzung und löst die bisherigen Programme zum Jahresende ab (siehe Text rechts oben).

Der von Rot-Grün proklamierte "Aufstand der Anständigen" ist Vergangenheit. "Ich habe den Eindruck, dass die Hürden höher gehängt wurden, damit möglichst wenige sich bewerben", sagt Rotraut Reinicke von den Lübtheener "Bürgern gegen Rechts", nachdem sie die 14-seitige Kurzfassung des neuen Programms gelesen hat. Begriffe wie "Soziale Integration", "Interkulturelles Lernen", "Demokratie- und Toleranzerziehung" sind weit weg, wenn - wie in Lübtheen - das größte Problem ist, "dass wir immer noch zu wenige sind", so die Aktivistin. Angst spiele dabei eine Rolle, aber auch Resignation und Politikverdrossenheit. Reinicke: "Es ist erschreckend, wie offen viele sich inzwischen zu ihrer rechten Gesinnung bekennen."

"Lübtheen", sagt der stellvertretende Ludwigsluster Landrat Reinhard Mach, "ist in einer besonderen Situation." Geschickt hatte NPD-Biedermann Pastörs, der im Ort ein Schmuckgeschäft betreibt und einige Kilometer entfernt ein weitläufiges Anwesen bewohnt, sich etabliert. "Er holt die Leute da ab, wo sie sind", sagt Mach. Deshalb muss aus Sicht des Landkreises die Kleinstadt Lübtheen im Mittelpunkt des "Lokalen Aktionsplans" stehen. Er soll als Vorreiter des neuen Bundesprogramms schon im Januar starten. Fördersumme: 100 000 Euro.

In Mecklenburg-Vorpommern wurden außer Ludwigslust die Kreise Nordvorpommern und Bad Doberan als Frühstarter ausgewählt. Andere Kreise wie Ostvorpommern oder Uecker-Randow, wo die NPD bei der Landtagswahl teilweise mehr als 30 Prozent der Stimmen holte, haben sich nicht beworben. Im Kreis Ludwigslust dagegen ist der Eifer groß. "Wir wollen ein Netzwerk bilden", sagt Mach. Ziel sei es, das bürgerliche Engagement zu fördern. Mit welchen Inhalten? "Das müssen die Leute vor Ort wissen
und es auch tun."

Genau da liegt das Problem. "Das neue Bundesprogramm ist so abstrakt, dass jeder das reinnehmen kann, was er schon immer gemacht hat und was er weitermachen will", sagt die Grüne Lazar. Diskutiert werden an diesem Abend Ideen wie Keksebacken gegen Rechts. Im Stadtrat soll eine Resolution "Lübtheen bleibt bunt" beschlossen werden. Der Sportverein "Concordia" plant eine Veranstaltungsreihe "Fairplay - nicht nur im Sport ". Auch ein Theaterprojekt für Jugendliche wird angedacht. Bis zum 6. Dezember muss das Projektkonzept fertig sein.

Tatsachen schaffen schon eine Woche vorher NPD-Fraktionschef Udo Pastörs und Fraktionsgeschäftsführer Stefan Köster: Am 30. November eröffnen sie ihr Bürgerbüro im Zentrum von Lübtheen.

erschienen am 22. November 2006

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