Monika Lazar, Wissenschaft und Forschung
12. Mai 2005, Rede zum Bologna-Prozeß
Herr Präsident, Frau Präsidentin
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wissen macht nicht an Landesgrenzen halt. International,
flexibel, mobil – so soll unsere Studienlandschaft aussehen.
Qualität, Modernisierung, Transparenz - das macht unsere Hochschulen
wettbewerbsfähig in der Welt.
Zusammen mit unseren europäischen Nachbarn wollen wir im Bologna-Prozeß
bis 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum schaffen.
Wettbewerb um die besten Köpfe – das bedeutet
nicht, Marktinteressen über alles andere zu stellen. Bildung
ist ein öffentliches Gut. Vorbei sind glücklicherweise
die Zeiten der Klassentrennung, als sich arme Familien für
ambitionierte Kinder die Bildung vom Mund absparen mußten.
Wissen darf nicht wieder zur Ware werden, die keinen anderen Wert
als den
Geldwert kennt.
Nicht, daß Sie mich mißverstehen: Wir
begrüßen neue internationale Angebote und Ansätze
im deutschen Bildungssystem. Wir treten grund-sätzlich für
die Öffnung des Bildungssektors für private Anbieter ein.
So kann viel Innovatives ins Rollen gebracht werden. Dabei steht
aber für Bündnis90/Die Grünen Qualitätssicherung
im Vordergrund.
Qualität kann nur gesichert und gesteigert werden,
wenn das Akkreditierungssystem für die Studiengänge noch
verbessert wird. Ohne verbindliche qualitative Standards können
Studienleistungen nicht verglichen werden.
Die verbesserte Vergleichbarkeit von Studienleistungen
sollte zu erhöhter Durchlässigkeit führen, nicht
nur im Hochschul-bereich allein, sondern im gesamten Bildungs-system.
Wer von uns würde schon für einen Bildungsabschnitt ins
Ausland gehen, wenn er keine Zusage hätte, daß diese
Phase auch in Deutschland anerkannt ist?
Würde Herr Koch das tun? Wahrscheinlich nicht.
Dennoch machen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Union, mit Ihrem Antrag zum Erfüllungsgehilfen von Roland Koch.
Ich sage Ihnen, wohin das führt: zu Kleinstaaterei statt Europa!
Der Föderalismus-Streit ist ein großes
Hindernis auf dem Weg zu einer attraktiven europäischen Wissenschafts-Landschaft.
Daß damit auch moderne Arbeitsplätze entstehen würden,
interessiert Sie bei Ihren machttaktischen Spielchen wohl weniger.
Bei Arbeitgebern und Studienabgängern führt diese Haltung
zu Verunsicherung. Für Bachelor- und Masterstudiengänge
beispielsweise fehlen verbindliche Qualitätsrichtlinien. Die
gegenseitige Anerkennung dieser Studiengänge wollen wir sicherstellen.
Außerdem zeigt ein Blick auf die Qualifikationsstufen,
daß die Zahl der Frauen nach oben immer geringer wird. Deshalb
müssen wir unbedingt dafür sorgen, daß die Stufe
zwischen Bachelor und Master nicht eine weitere Hürde für
Frauen wird. Das gleiche gilt für finanziell schwächere
Studierende.
Das bringt mich zur sozialen Dimension des Bologna-Prozesses.
Weshalb nehmen viele Studierende heutzutage kein Auslandsstudium
auf? Weil Ihnen die finanzielle und soziale Absicherung fehlt! Im
Bologna-Prozeß sollen solche Barrieren verschwinden.
Wir wollen die Mobilität von europäischer
Ebene aus für alle Studierenden sichern, ganz egal, aus welchem
Land sie kommen.
Die Bundesregierung hat mit der BAföG-Reform
in der letzten Legislaturperiode die Weichen bereits richtig gestellt.
Deutsche Studierende können viel leichter als früher ihr
Bafög mit ins Ausland nehmen.
Jede Form von sozialer Auslese im Bildungssystem muß
endlich beseitigt werden. Alle Menschen sollen die Chance erhalten,
ihre Talente zu entwickeln – nicht nur die Besserverdienenden.
Wir müssen so viele Akademikerinnen und Akademiker
in Deutschland ausbilden, wie unser Land braucht. Das wird aber
erst möglich, wenn die Hürden für den Hochschulzugang
geringer werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in unserem Koalitions-Antrag werden die notwendigen
Schritte klar benannt. Wir wollen Vergleichbarkeit und Transparenz
im europäischen Hochschulraum schaffen, ohne die Vielfalt an
akademischen Bildungsmöglichkeiten einzuschränken.
Dazu gehört auch fachkundige Beratung, wie das
Bologna-Kompetenzzentrum sie anbieten soll. Mit großem Interesse
und reger Nachfrage haben Universitäten auf diese Hilfe bei
der Umstellung auf die gestufte Studienstruktur reagiert. Wir
bekräftigen unser Interesse an bundesweiter Koordination auch
mit finanzieller Unterstützung aus dem Bundeshaushalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Bologna-Prozeß ist eine riesige Chance für
alle deutschen Hochschulen und Studierenden. Wenn wir uns den globalen
Herausforderungen der Wissensgesellschaft stellen, können wir
im europäischen Verbund wieder Weltspitze werden.
Das Modell der Kleinstaaterei hat ausgedient, die
Zukunft der Bildung liegt in Europa.
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