Monika Lazar, Wissenschaft und Forschung
14. April 2005
 
Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

in der CDU/CSU wird seit einigen Wochen darüber gestritten, wie in Zukunft der Lebensunterhalt für Studierende staatlich unterstützt werden soll. Die Bildungsministerinnen Schavan und Wanka wollen das BAföG durch Kredite am freien Markt ablösen. Die Bundesvorsitzende Merkel hat versucht, die Debatte mit einem Satz von einmaliger Glaubhaftigkeit zu beenden: „Niemand hat die Absicht, das BAföG abzuschaffen.“
Da klingeln doch die Ohren!

Daß es zu Unionszeiten jedoch viel weniger Studierenden möglich war, BAföG zu erhalten, zeigen die Zahlen. Fakt ist, daß wir im Jahr 1998 ein heruntergewirtschaftetes BAföG von Schwarz-Gelb übernommen haben. Nur noch 225 Tausend Studierende an Universitäten und Fachhochschulen wurden 1998 gefördert. Im Jahr 2003 dagegen erhielten bereits 326 Tausend Studierende BAföG. Tendenz steigend.

Diese erfreuliche Entwicklung liegt zum einen an den Leistungserweiterungen durch unsere Gesetze, zum anderen daran, daß durch die verbesserten Bedingungen mehr junge Leute ermutigt werden, ein Studium aufnehmen. Das ist uns wichtig.

Wir wissen, daß die Haushaltslage schwierig ist, jedoch dürfen wir nicht an Bildung sparen, denn in ihr liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes.

Wir machen keine leeren Versprechen wie die Union. Durch uns ist auch die Vollförderung erheblich gestiegen. So erhielten 1998 nur 65.250 BAföG–EmpfängerInnen Vollförderung, während es 2003 bereits fast das Doppelte, nämlich 121.598, waren. Das ist ein Anstieg des Anteils an Vollförderung für Studierende von 29 Prozent auf mehr als 37 Prozent. Diese Tatsache trägt ganz entscheidend zur Chancengleichheit von jungen Leuten aus finanziell schwächeren Familien bei.

Zu den politischen Schwerpunkten der Union hingegen hat das BAföG leider noch nie gehört. Fachfrauen wie Schavan und Wanka ist immerhin zuzugestehen, dass sie ehrlich sind. Die CDU und die CSU zeigen sich zwar seit dem Verfassungsgerichtsurteil Ende Januar seltsam handlungsunfähig. Aber mit dem andauernden Reden über den allheilsamen Markt, der auch den Lebensunterhalt der Studierenden bald von allein attraktiv finanzieren werde, weisen sie die Richtung: weg von der solidarischen Unterstützung schlauer Köpfe hin zur Förderung derjenigen, die für den Finanzmarkt als „gutes Risiko“ gelten.

Die Union will offenbar die Studienfinanzierung ihrer sozialen Komponente berauben. Studierende, die von ihren Eltern nicht unterstützt werden können, mögen künftig doch bitte ihr Auskommen während des Studiums über Kredite finanzieren. Das BAföG brauche man nämlich, um die soziale Abfederung der Studiengebühren zu bezahlen.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bund Studiengebühren nicht verbieten darf, haben die unionsgeführten Länder massive Probleme, ihre Studiengebührenpläne in die politische Praxis umzusetzen: Die soziale Abfederung wird einfach zu teuer. Wenn das durch Gebühren eingenommene Geld an den Hochschulen verbleiben soll, müssen Stipendien und andere Beihilfen eben aus der Landeskasse berappt werden, die bekanntermaßen leer ist.

Einige unionsgeführte Länder denken jetzt an 500 Euro Studiengebühren pro Semester und meinen, dieser Betrag wäre doch leicht aufzubringen. Aber Fachleute aus dem In- und Ausland warnen oder wissen aus Erfahrung, daß es dabei nicht bleiben wird, sondern eine Steigerung auf jeden Fall kommt.

Auch der aktuelle Vorschlag zeigt, dass die Gebührenphantasien der Union an harten Realitäten scheitern – oder nur auf Kosten derjenigen zu verwirklichen sind, die ohnehin im deutschen Bildungssystem benachteiligt werden: Kinder aus großen und/oder einkommens-schwachen Familien.

Mit uns, dabei bleibt es, wird es keine Refinanzierung von Studiengebühren in den Ländern über das BAföG geben.

 

 

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