Monika Lazar, Reform der beruflichen
Bildung
27. Januar 2005
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Monika Lazar,
Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD)
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Sieben von zehn jungen Leuten in Deutschland werden beruflich
ausgebildet. Sie absolvieren entweder eine betriebliche Ausbildung
oder einen schulischen Lehrgang. Leider gibt es viele, die in Warteschleifen
auf eine Ausbildung warten müssen. Unsere Gesetzesreform beschäftigt
sich also mit einem ganz drängenden Problem unseres Bildungswesens.
Mit der Novelle zum Berufsbildungsgesetz, die wir heute abschließend
beraten, machen wir einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit
der beruflichen Bildung in Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD)
Damit schaffen wir Perspektiven für viele junge
Menschen in unserem Land.
Deshalb freut es mich besonders, dass wir diese Reform
mit einer großen Mehrheit in diesem Hause verabschieden können.
Diese Reform ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Föderalismus
in unserem Lande im Bildungsbereich durchaus vernünftig funktionieren
kann. Alle haben sich auf die Arbeitsteilung eingelassen. Die Bundesebene
regelt die Mobilität und die Einheitlichkeit der Abschlüsse.
Dabei arbeiten die Bildungs- und Wirtschaftsseite zusammen. Der
Weg zu diesen Abschlüssen wird aber von denen gestaltet, die
am nächsten dran sind: von den Sozialpartnern für die
betriebliche Seite der Ausbildung und von den Bundesländern
für die schulische.
Ein besonderer Knackpunkt der Reform war für
uns die Frage: Wie gehen wir in Zukunft mit den so genannten vollzeitschulischen
Ausbildungen um? Ich freue mich, dass wir die Möglichkeit der
Zulassung zur Kammerprüfung für diese Ausbildungsgänge
jetzt deutlich verbessern. Mit der Zulassung zur Kammerprüfung
sichern wir die tatsächliche Gleichwertigkeit von schulischen
und betrieblichen Ausbildungen. Ich bin mir darüber im Klaren,
dass nicht alle in diesem Hause restlos davon überzeugt sind.
Fest steht für mich aber, dass die Schule unter
den klaren Anforderungen, die wir jetzt in das Gesetz geschrieben
haben, eine sinnvolle Alternative zur dualen Ausbildung ist und
auch sein muss. Das ist eine Aufwertung, die gerade vor dem Hintergrund
der Lehrstellenknappheit dringend notwendig ist. Die Zulassung vollzeitschulischer
Ausbildungsgänge zur Kammerprüfung bringt neue Flexibilität
mit sich und ist keine Gefahr für das duale Ausbildungssystem,
sondern eine sinnvolle Ergänzung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der SPD)
Eine weitere Verbesserung sehe ich in den neuen Regelungen
zur Arbeitszeit während der Ausbildung. Es war bisher schon
möglich, die Ausbildungszeit insgesamt zu verkürzen, sofern
das Ausbildungsziel in dieser Zeit erreicht wird. Unser neuer Gesetzentwurf
geht noch mehr auf persönliche Bedürfnisse ein, indem
er eine Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen
Arbeitszeit einschließt. Das ist für viele junge Leute
eine große Hilfe, zum Beispiel für Mütter mit kleinen
Kindern oder für Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen.
Damit wird klar, dass es nicht nur um persönliche, sondern
auch um wichtige gesellschaftliche Anliegen geht.
Diese Reform kann und darf aber nicht unser letztes
Wort in Sachen beruflicher Bildung gewesen sein. Wir müssen
mehr tun.
(Cornelia Pieper [FDP]: Das stimmt!)
Wir Bündnisgrünen haben schon lange eine
gute Idee: die Stiftung Betriebliche Bildungschance. Ausgehend von
unserer Grundidee einer eigenverantwortlichen Bürgergesellschaft
wollen wir die Ressourcen für mehr Ausbildung besser erschließen.
Betriebe, die innovativ ausbilden, werden ideell und finanziell
durch die Stiftung direkt gefördert. Jeder Betrieb, der ausbildet,
kann aus den Stiftungsmitteln einen Teil der Ausbildungskosten erstattet
bekommen. Eine weitere Aufgabe dieser Stiftung soll in der Vernetzung
von Akteuren wie Unternehmen, Kammern, Arbeitsvermittlungen und
Schulen bestehen.
Bildung ist nicht mit der beruflichen Ausbildung abgeschlossen.
Wer auf dem neuesten Wissensstand bleiben will, muss sich auf lebenslanges
Lernen einstellen. Leider ist es uns Grünen nicht gelungen,
die Fortbildung mit in das Gesetz aufzunehmen, obwohl nur eine stetige
berufliche Weiterbildung die Innovationsfähigkeit in unserem
Land sichern und stärken kann. Mit dem Gesellenbrief oder dem
Diplom in der Hand mögen die Lehrjahre vorbei sein, lernen
müssen wir aber unser ganzes Leben lang. Wir brauchen einfache
und bürgernahe Anreize, um die Bereitschaft zur Weiterbildung
in der Gesellschaft zu erhöhen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD)
Das gilt insbesondere für die Menschen, die nur
eine geringe Qualifikation haben oder ganz ohne Berufsausbildung
dastehen. Ihr Armutsrisiko ist höher als das jeder anderen
gesellschaftlichen Gruppe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Novelle zum
Berufsbildungsgesetz hat der Gesetzgeber einen großen Teil
seiner Hausaufgaben erledigt. Für die jungen Menschen in unserem
Land werden die Veränderungen aber nur dann positiv erlebbar
sein, wenn alle Beteiligten in unserer Gesellschaft an einem Strang
ziehen. In Sachen Ausbildung sind nun die Unternehmer gefragt. Sie
müssen die Verbesserungen nutzen, damit mehr junge Leute als
in den vergangenen Jahren eine berufliche Perspektive erhalten.
(Jörg Tauss [SPD]: Sehr richtig!)
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei der SPD)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Lazar, Sie haben heute Ihre erste Rede
im Deutschen Bundestag gehalten. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich
und wünsche Ihnen persönlich alles Gute.
(Beifall)
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