19.09.2006
Persönliche Erklärung
zur Abstimmung des Deutschen Bundestages über den Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
„United Nations Interim Force in Libanon“ (UNIFIL)
auf der Grundlage der Resolution 1701 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 (Drucksache 16/2572) am 20. September 2006
Den Antrag der Bundesregierung lehnen wir ab.
Es kann keineswegs sichergestellt werden, dass die eingesetzten deutschen Soldaten der Bundesmarine nicht in Konfrontation mit israelischem Militär in den Gewässern vor der Küste des Libanon und in Kampfhandlungen geraten, die für alle Seiten unerträglich wären.
Auftrag und Umfang des Einsatzes der Bundeswehr ist allein dem Antrag der Bundesregierung zu entnehmen. Danach ist der Auftrag keineswegs beschränkt darauf, Waffenlieferungen für die Hisbollah im Libanon über See zu verhindern und die dafür notwendigen Kontrollen und Maßnahmen durchzuführen.
Vielmehr ist die Bundeswehr Teil der UNIFIL-Truppe. Die Aufgabe von UNIFIL ist nach dem Antrag der Bundesregierung „sicherzustellen, dass die Einsatzgebiete von UNIFIL nicht für feindliche Aktivitäten genutzt werden.“ Zum Einsatzgebiet gehört laut Antrag „zur See ein Seegebiet vor der Küste bestehend aus den libanesischen Küstengewässern sowie einem Seeraum bis ca 50 Seemeilen westlich der libanesischen Küste.“
Der Bundeswehr werden „insbesondere folgende Aufgaben übertragen:
Führung der maritimen Operation,
seewärtige Sicherung der libanesischen Küste und Küstengewässer, Kontrolle des Seeverkehrs inklusive Kontrolle der Ladung /Personen an Bord von Schiffen,
maritime Abriegelungsoperationen innerhalb des Einsatzgebietes“.
Im Antrag der Bundesregierung ist von Waffenlieferungen an Hisbollah keine Rede.
Vielmehr wird ausdrücklich betont, dass „UNIFIL - also auch die Bundeswehr - ermächtigt ist, im Rahmen des Auftrages alle erforderliche Maßnahmen zu ergreifen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt, um sicherzustellen, dass die Einsatzgebiete nicht für feindliche Aktivitäten genutzt werden“. Also sind militärische Kampfeinsätze auch für die Bundeswehr nicht auszuschließen, um den Auftrag zu erfüllen.
Sollte es erneut zu einer Eskalation des Konfliktes zwischen Hisbollah und Israel kommen, sind israelische Angriffe auf Ziele im Libanon von der See her nicht unwahrscheinlich. Im Krieg zwischen Israel und der Hisbollah fanden zahlreiche solcher Angriffe statt.
Dann wäre die Bundesmarine mitten drin im Kampfgeschehen und müsste nach ihrem Auftrag eigentlich alle „feindlichen Aktivitäten“ unterbinden. Kampfhandlungen gegen israelisches Militär würden erwartet, wären aber aus deutscher Sicht nicht durchführbar.
Vereinbarungen mit anderen Staaten, die gerade solche Kampfhandlungen gegen israelisches Militär ausschließen, wären mit dem Auftrag der UN-Resolution 1701 und dem Antrag der Bundesregierung, der sich auf diese Resolution beruft, nicht zu vereinbaren.
Es ist nicht zu verantworten, die Soldaten einem solchen unauflöslichen Dilemma auszusetzen.
Für den Erfolg von UM-Friedensmissionen ist die strikte Neutralität der beteiligten Soldaten unbedingte Voraussetzung. Deutsche Soldaten können aber vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der besonderen Verantwortung für Israel nicht neutral sein. Deshalb eignen sich Bundeswehrsoldaten nicht für diese Mission.
Im Fall eines Krieges gegen den Iran, der auch zu einer dramatischen Verschärfung der Situation an der Grenze zwischen Libanon und Israel und zu einer Wiederaufnahme der Kampfhandlungen dort führen könnte, würde die Bundeswehr in die Gefahr geraten, Teil eines größeren kriegerischen Konflikts in der Region zu werden.
Zudem gibt es auf allen Seiten Kräfte, die einen dauerhaften Frieden nicht wollen. Wir sehen die Gefahr, dass ein weiteres Mal Blauhelm-Soldaten geschickt werden, als erstem Schritt zur Schaffung von Frieden auf der Grundlage eines Waffenstillstandes, ohne dass je weitere Schritte für ein friedenspolitisches Gesamtkonzept folgen. Gerade die jahrzehnte alte UN-Mission im Libanon belegt, dass Blauhelme allenfalls auf Zeit und räumlich sehr begrenzt einen Waffenstillstand sichern können. Ohne eine umfassende Gesamtkonzeption für Frieden und ohne gezielte Förderung der Versöhnungs- und Friedensarbeit in der Region insgesamt, wird es aber keinen dauerhaften frieden geben können. Hierfür könnte, ja müsste Deutschland einen langfristigen Friedensbeitrag leisten durch Förderung zur Friedenserziehung in Kindergärten, Schulen und Hochschulen in der gesamten Region ebenso wie durch langfristig und dauerhafte Förderung von Friedens-, Demokratie- und Versöhnungsprojekten.
Wir sind überzeugt, dass die vielen Millionen Euro, die dieser historisch-politisch fragwürdige Militäreinsatz kostet, besser in Frieden, das heißt in die Friedensfähigkeit und für friedliches Zusammenleben investiert werden sollte.
Die umfassende Friedensinitiative unter Beteiligung der Bundesregierung, die begleitend zur Stabilisierung des vereinbarten Waffenstillstandes geboten ist und zu einem dauerhaften Frieden in Nahost führen kann, ist nicht in Sicht.
Die Zustimmung zu diesem Antrag der Bundesregierung können wir nicht verantworten.
Hans-Christian Ströbele
Winfried Hermann
Sylvia Kotting-Uhl
Dr. Anton Hofreiter
Dr. Harald Terpe
Monika Lazar
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