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Auszug Plenarprotokoll Fragestunde am 19.09.2007 im Bundestag zu den aktuellen Vorgängen in Mügeln
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zu Frage 20 der Kollegin Monika Lazar von den Grünen:
Wann und in welcher Höhe wird die Bundesregierung Mügelns Landkreis Torgau-Oschatz Fördermittel aus dem Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zuweisen, wie es die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, in den Medien angekündigt hat (vergleiche zum Beispiel Aktionsplan für Mügeln, vom 23. August 2007, www.faz.net)?
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ich antworte darauf wie folgt: In Sachsen wird neben dem Programm „Vielfalt tut gut“ auch das im Juli gestartete Programm „Förderung von Beratungsnetzwerken – Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ umgesetzt. Dazu hat das Land ein landesweites Beratungsnetzwerk eingerichtet, in das auch die Opferberatungsstellen in Sachsen und das mobile Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen e. V. aufgenommen wurden.
Die Opferberatungsstellen haben zu den beim Überfall verletzten Indern Kontakt aufgenommen und beraten diese. Das Mobile Beratungsteam hat auch Kontakt zum Bürgermeister von Mügeln. Es hat eine erste Lageanalyse erstellt und Hilfe angeboten.
Zusätzlich haben sich Bund und Land am 3. September dieses Jahres in Leipzig mit Vertretern des Landkreises zu einem Gespräch getroffen. Im Ergebnis wurde in dem Gespräch vereinbart, dass das Mobile Beratungsteam gemeinsam mit dem Landkreis und der Stadt eine Strategie entwickelt, die das Ziel hat, Ereignisse wie in der Nacht vom 17. auf den 18. August 2007 nach Möglichkeit zukünftig auszuschließen. Teil der Strategie soll neben der Entwicklung von Konzepten für die Arbeit mit jungen Menschen vor allem das Aufzeigen von Ansprechmöglichkeiten für die lokalen deutungsmächtigen Akteure sowie Unterstützungsangebote für eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit sein. Dabei ist auch der Landkreis intensiv gefordert, für die Stärkung der Zivilgesellschaft vor Ort mehr zu tun als in der Vergangenheit.
Der Bund unterstützt den Landkreis durch die Finanzierung der Arbeit des Mobilen Beratungsteams aus Mitteln des Programms „Beratungsnetzwerke“ und bietet durch die Regiestelle des Programms „Vielfalt tut gut“ auf dem Gebiet der Medienberatung bzw. des Umgangs mit der öffentlichen Darstellung Hilfe an. Sofern sich aus der Beratungsarbeit der Bedarf für eine konkrete projektbezogene Hilfe ergibt, werden sich – wie ich das heute Morgen auch schon im Ausschuss erläutert habe – Bund und Land über Fördermöglichkeiten verständigen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage.
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe über das Gespräch, das Anfang September in Leipzig stattgefunden hat, sowohl mit einer Kollegin vom Mobilen Beratungsteam als auch mit dem Dezernenten von Torgau-Oschatz gesprochen. Beide haben mir gegenüber erklärt, sie seien sehr enttäuscht, weil sie doch andere Erwartungen hatten. Insbesondere in den Tagen nach dem Mügelner Vorfall kam ja zum Ausdruck, es gebe noch Möglichkeiten im Rahmen des Bundesprogramms „Vielfalt tut gut“. Finden Sie nicht auch, dass man damit falsche Hoffnungen geweckt hat, wenn jetzt stattdessen auf das ganz normale Programm der Beratungsteams zurückgegriffen wird?
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ich kann nicht ganz ausschließen, dass durch die Diskussion unmittelbar nach dem Vorfall auch falsche Erwartungen geweckt wurden. Ich sage aber ganz ausdrücklich: Es kann nicht richtig sein, bei diesem langfristig angelegten Programm anlassbezogen zu reagieren. Man muss sicherlich – das habe ich Ihnen heute Morgen im Ausschuss bereits gesagt – von Zeit zu Zeit Bilanz ziehen, um festzustellen, was an dem Programm richtig ist und was falsch. Wir haben bis jetzt jedenfalls keinen Anlass, anzunehmen, diese langfristig angelegten lokalen Aktionspläne seien falsch. Es war auch Ergebnis der wissenschaftlichen Evaluation der ersten Programme, die aufgelegt wurden, dass sie langfristig angelegt und lokal vernetzt sein müssen, damit sie eine dauerhafte Wirkung haben.
Dass beim dortigen Beratungsteam falsche Hoffnungen geweckt wurden, kann ich mir nicht vorstellen, weil sie von uns gefördert werden; sie haben auch jetzt eine finanzielle Unterstützung bekommen. Sie sind voll integriert und voll eingebunden. Mir scheint der richtige Weg zu sein, mit dem Land und auch mit dem Landkreis abzustimmen – der Sozialdezernent hat an dem Gespräch teilgenommen –, was vor Ort sinnvoll und notwendig ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage.
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben ja das zweite Bundesprogramm, um solche kurzfristigen Krisen zu bewältigen. Das ist richtig, um gerade den Regionen zu helfen, die keine lokalen Aktionspläne haben. Wie sehen Sie aber die Chancen dafür, auch Regionen, die keine Zusagen für lokale Aktionspläne haben, vor solch schlimmen Vorfällen zu bewahren, egal in welchem Teil unseres Landes? Gibt es noch eine Möglichkeit, sie im Rahmen des Programms „Vielfalt tut gut“ zu fördern, oder ist das bis zum Ende der Förderperiode ausgeschlossen?
Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ich habe gesagt, dass wir in dem ganz konkreten Fall genau hinsehen werden. Wenn sich abzeichnet, dass dort ein Projekt notwendig ist, werden wir mit dem Land da-rüber reden, ob der Bund es finanziert. Dabei ist egal, wie es im Einzelnen genannt wird. Ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass wir nicht an jedem Ort in der Bundesrepublik solche Aktionspläne umsetzen können. Zunächst einmal setzen wir diese 90 Pläne Schritt für Schritt um – die Kommunen und auch die Länder brauchen eine gewisse Zeit dafür –, und danach werten wir sie aus.
Ich will noch einmal sagen: Das Programm, das wir auflegen, ist präventiv angelegt und wird nie anlassbezogen reagieren können. Dafür ist das Beratungsnetzwerk gedacht. Im Übrigen will ich ausdrücklich sagen, dass die konkrete Jugendarbeit vor Ort völlig unabhängig davon ist. Wir legen größten Wert darauf und tun alles dafür, gerade auch in den neuen Ländern, dass dort, wo eine Zivilgesellschaft oder Bürgerschaft vielleicht nicht in der Form existiert, wie wir uns das wünschen, Jugendliche und auch Erwachsene einbezogen werden. Das ist zwingend notwendig. Deshalb empfehle ich allen, in Jugendarbeit zu investieren. Jugendliche, die begleitet werden und irgendwo eingebunden sind, laufen nicht so schnell Gefahr, sich auf solche Irrwege zu begeben.
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