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Onlinetagebuch zur INFOTOUR
Eindrücke Monika Lazars während der Tour zu Initiativen gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern.
Tag 5 - inSachsen Teil1 - Wurzen
Nun begann der „Sachsen-Teil“ meiner Infotour. Die erste Station führte mich am 25.4. nach Wurzen im Muldentalkreis.
Wurzen wurde Mitte der 90er Jahre bekannt, da es dort eine sehr aktive rechtsextreme Szene gab. Mittlerweile ist das offene Agieren zurückgegangen, man benutzt jetzt lieber eigene abgeschirmte Bereiche.
Am Vormittag gab es eine Gesprächsrunde in den Räumen des NDK (Netzwerk demokratische Kultur), einer sehr engagierten und ausgezeichneten Initiative, die schon frühzeitig den „Finger in die Wunde“ Wurzens gelegt hat. Jetzt sind sie hier auch akzeptiert, so dass sich sogar der OBM Dr. Schmidt zu unserer Diskussionsrunde gesellte.
Neben den schon Genannten, nahmen noch zwei Unternehmer aus dem NDK-Beirat, je ein Vertreter vom Fachreferat „Extremismus und Gewaltprävention“ der Stadt Leipzig, vom „Treibhaus Döbeln“, „Bündnis gegen Rechts Riesa“ (BgRR) und vom Wurzner Büro der Opferberatung AMAL teil.
Gesprächsrunde in den Räumen des NDK (li. mit Thoralf Möhlis, re. große Runde)
Der OBM begann seine Ausführungen mit der bekannten beschwichtigenden Art, dass der Rechtsextremismus in Wurzen nicht mehr so schlimm sei und die Stadt ja auch den Jugend- und Sportbereich unterstützt. Er erwähnte auch, dass im Stadtrat 3 NPD-Abgeordnete sitzen.
Seit einigen Monaten gibt es in Wurzen den Naziladen „Front Records“, wo es auch schon zwei Hausdurchsuchungen der Polizei gab. Auch der Verfassungsschutz beobachtet den Laden. Dr. Schmidt meinte, für weitere Sanktionen seien ihm die Hände gebunden. Das traf bei den Vertretern des NDK natürlich auf Widerspruch. Stefan Meister wollte die Ausführungen vom OBM auch nicht so stehen lassen, dass die eigenen Aktivitäten von Seiten der Stadt ausreichend gefördert wird. So bekommt das NDK gerade mal 300 Euro/ Jahr aus dem städtischen Haushalt. Das Bürger- und Kulturzentrum D5, das das NDK mit Hilfe von Sponsoren und Eigenleistungen selbst ausbaut, bekommt keine städtische Unterstützung, bis auf den Erlass der Stellplatzgebühren. Das D5 wird Anfang Juni eingeweiht. Der OBM konnte bisher nicht sagen, ob er an der Einweihung teilnehmen wird.
Thoralf Möhlis vom BgRR erzählte von seinen Erfahrungen. Die Initiative versuchte schon zeitig, den Riesaer OBM und die BürgerInnen zu sensibilisieren, bevor sich der NPD-Verlag „Deutsche Stimme“ dort ansiedelte. Auch sie wurden am Anfang nicht ernst genommen. Mittlerweile hat sich das aber gebessert und der OBM lädt teilweise sogar zu den vom BgRR organisierten Veranstaltungen ein, was die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht hat.
Eiko Kühnert vom Fachreferat „Extremismus und Gewaltprävention“ der Stadt Leipzig berichtete, dass es diese Stelle seit 1999, nach den rechtsextremen Ausschreitungen in Leipzig-Grünau, gibt. Einen eigenen Etat haben die beiden MitarbeiterInnen nicht, deshalb müssen sie sich um zusätzliche finanzielle Unterstützung auch von Land und Bund bemühen. Sie agieren mit weiteren Partnern, wie der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Landesfilmdienst Sachsen und dem Mobilen Beratungsteam.
Zusammenfassend konnte ich nach diesem Gespräch sagen: Die Planung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bei den zukünftigen Bundesprogrammen auf lokale Strukturen zu setzen, ist sehr gefährlich. Die meisten Kommunen und Landkreise haben das Problem vor Ort noch nicht erkannt und selbst dort, wo man schon etwas weiter ist, wie in Wurzen, tut man sich sehr schwer, eigene Mittel für vorhandene Strukturen zur Verfügung zu stellen.
Nach dem Gespräch besichtigte ich noch die Baustelle vom D5. Ich konnte mich selbst überzeugen, wie engagiert viele Jugendliche sich ihr eigenes Kulturzentrum ausbauen, ohne von der Stadt unterstützt zu werden.
Ich werde auf alle Fälle zur Eröffnung Anfang Juni dabei sein.
Vor dem Kulturzentrum D5 (li.)und im D5 (re.)
Anschließend gab es noch einen Termin mit dem OBM im Rathaus. Ich wollte im „Vier-Augen-Gespräch“ noch mal die Knackpunkte von Vormittag ansprechen: finanzielle Unterstützung von Stadt und Landkreis für die bestehenden Initiativen ab dem nächsten Jahr, moralische Anerkennung der Aktivitäten und eine Teilnahme an der Einweihung vom D5 und ein eindeutiges politisches Statement gegen „Front Records“.
Leider bekam ich auch bei diesem Gespräch keine klaren Antworten. Entweder hat der OBM kein Geld oder keine Mehrheiten oder keine Zuständigkeit...
Mit OBM Dr. Jürgen Schmidt
Ich hoffe, dass ich mit meinem Besuch trotzdem einen Denkprozess bei ihm in Gang gesetzt habe und mit meinem Besuch gezeigt habe, wie wichtig das NDK für das Ansehen der Stadt ist. Überzeugungsarbeit ist eben oft mühsam. Wie überall muss man auch hier hartnäckig sein. Das gilt weiterhin sowohl für das NDK in Wurzen wie für mich bei meiner Arbeit im Bundestag.
[Sehen Sie hier noch einige Fotos aus den Vorortterminen.]
[Lesen Sie hier einen Pressebericht über meinen Besuch in Wurzen.]
[Lesen Sie zu den anderen Tagen: Onlinetagebuch - Übersicht]
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