Termine Infotour gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour 2008 gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour gegen Rechtsextremismus
Termine Infotour gegen Rechtsextremismus 2008
Termine Fussballtour gegen Rechtsextremismus 2008
Termine Fussballtour gegen Rechtsextremismus 2009
 
 
 
 
  Gegen Rechtsextremismus [i] POLIZEITOUR
 
     
 

Die Grünen auf Polizeitour
26. September 2007

Sachsen-Anhalt

Die grüne Bundestagsfraktion verabschiedete 2006 ein Arbeitsprogramm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Einer der acht Schwerpunkte liegt in der Beobachtung und Unterstützung der Polizeiarbeit. Jenseits von Wahlen und aktuellen Ereignissen wollen wir die Akteure auf Seiten des Staates und der Zivilgesellschaft besuchen.

polizeitour der Grünen
 
Polizeitour Brandenburg und Sachsen-Anhalt
Von links: Mitglieder der AG Polizeiarbeit, Bildmitte Innenminister Hövelmann (Sachsen-Anhalt), Wolfgang Wieland MdB, rechts Wolf Albin

Wir fragen, welche Strategien die Polizei im Umgang mit politisch motivierter Gewaltkriminalität von rechts verfolgt. Nach einer Tour durch Brandenburg im Juli dieses Jahres war dies der zweite Besuch in einem ostdeutschen Bundesland.

Halberstadt

Wie schwer Fehler polizeilicher Arbeit wiegen, zeigte zuletzt die falsche Reaktion von Beamten nach dem Überfall rechter Schläger auf eine Gruppe von Schauspielern am 9. Juli 2007 in Halberstadt. Damals reagierte die Polizei nur langsam und halbherzig, ließ den Hauptverdächtigen und stadtbekannten Neonazi zunächst laufen. Wir wollten uns informieren, wie Polizei und politische Führung mit diesem und vielen weiteren Fehlleistungen der sachsen-anhaltinischen Polizeiarbeit in der Vergangenheit umgeht.

Die Besuchstour startete mit einem Termin in der Polizeidirektion Halberstadt. Die grüne Bundestagsabgeordnete Undine Kurth, Quedlinburg, und ihr Abgeordnetenkollege Wolfgang Wieland, Berlin, wurden vom Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, begrüßt. Dieser hatte einige seiner Spitzenbeamten der Polizei mitgebracht. Es folgte ein Pressegespräch sowie eine Darstellung der Lage durch die Polizeidirektion. Vor der Abfahrt der Besucherdelegation nach Magdeburg wurde uns die Besichtigung des Polizeireviers Halberstadt ermöglicht.

Innenminister Hövelmann betonte schon bei der Begrüßung, dass es ihm sehr ernst mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus sei. Doch diese Aufgabe sei mit dem gegenwärtigen Polizeiapparat nur schwer zu bewältigen. So nahm das Thema der strukturellen Probleme bei der Polizei viel Raum bei den Gesprächen ein.

Die große Masse der rund 7.800 Polizisten im Land sind noch in der DDR ausgebildet worden, was ein mangelndes Rechtsstaatsempfinden und Empathie für die Opfer bei dem einen oder anderen Beamten erklären könnte. Hövelmann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Wegfall des alten DDR-Selbstverständnisses der Polizei bei einigen Polizisten zu einer Demotivierung beigetragen habe. Diese würden nur noch einen Dienst nach Vorschrift und ohne viel Einfühlungsvermögen und Engagement ableisten.

Zudem liegt das Durchschnittsalter bei 48 Jahren, die Polizei leidet also an einer Überalterung ihres Personals. Fehlende Karriereaussichten im öffentlichen Dienst, ein hoher Krankheitsstand und die massive Kritik an den Fehlleistungen der letzten Jahre haben bei den Beamten Spuren hinterlassen. Sie fühlen sich demotiviert und überfordert. Zudem herrscht auch ein Mangel an Kenntnissen und Verständnis von rechtsextremen Strukturen und Symbolen.

All diese Aspekte haben einen Einfluss auf den Umgang der Polizei mit Rechtsextremismus. Positiv fiel aber auf, dass die Polizei ihr Fehlverhalten aus der Vergangenheit und ihre strukturellen Probleme eingestand.

Eine Steigerung der Motivation der Polizisten verspricht sich Innenminister Hövelmann durch eine Angleichung der Löhne an Westniveau, die Einführung neuer Uniformen und eine Verbesserung der Ausrüstung. Zudem sind verpflichtende Weiterbildungsmaßnahmen an der FH Aschersleben für alle Polizisten eingeführt worden. Dabei soll auch externer Sachverstand – wie durch die Landeszentrale für politische Bildung – einfließen.

In der Polizeidirektion Halberstadt informierten sich unsere grünen Abgeordneten über die Lage des Rechtsextremismus im Harzkreis. Die Fallzahlen sind hier im Vergleich zum Jahr 2006 fallend, sowohl bei den Propagandadelikten als auch bei den Gewalttaten. Das ist Ursache des seit dem Überfall auf die Theatergruppe massiv erhöhten Verfolgungsdruckes. 30 zusätzliche Polizisten sind jede Nacht im Einsatz, Rechtsextreme werden direkt angesprochen und die Polizei zeigt mehr Präsenz an bekannten Treffpunkten der Szene. Sympathisanten lassen sich davon als erstes beeindrucken und bleiben den Treffen fern.

Die Situation aus Sicht der Polizei

Beim zweiten Teil des Besuchs im Polizeirevier berichteten die Beamtinnen und Beamten dann auch aus ihrer Sicht. Es entstand der Eindruck, dass sie sich hinter Erfolgsmeldungen und Statistiken auch ein wenig zu verstecken versuchten. Sie gaben zu, dass es insbesondere bei älteren Kollegen Probleme mit der Arbeitsfähigkeit und der Flexibilität gibt. Viel Hoffnung stecken die Angehörigen des Polizeireviers in die Videoüberwachung gefährlicher öffentlicher Plätze. Die Kameras bewirken hier wohl einen gewissen Abschreckungseffekt und helfen, die Szene zumindest teilweise zu zerstreuen. Die Videoüberwachung ist offen und wird über Hinweisschilder bekannt gemacht.


Magdeburg

Undine Kurth und Wolfgang Wieland setzten den Besuch im Polizeirevier Magdeburg Mitte fort. In dem Dorf Pretzien, im Bereich des Reviers, fand im Juni letzten Jahres die Verbrennung von Anne Franks Tagebuch statt. Magdeburg ist ein verfestigter Schwerpunkt der rechtsextremen Szene und vor allem auch der NPD. In der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt sind bereits in der 90er Jahren einige spektakuläre Gewaltverbrechen passiert. Im Jahr 2006 gab es quantitativ einen besonderen Höhepunkt der Zahl an Gewaltverbrechen. Mit der Eröffnung des Ladens "Narvik" im neu eröffneten Hundertwasserhaus, der die rechtsextreme Kleidermarke "Thor Steinar" verkauft, hat die Szene auch einen zentralen Platz in der Innenstadt als Treffpunkt erobern können. Die Polizei-Strategie scheint hier auch erste Erfolge vorweisen zu können. Die Fallzahlen sind wie auch in Halberstadt insgesamt rückläufig, wobei sich die Polizei keine Illusionen darüber macht, dass es durch Wellenbewegungen auch wieder zu einem erneuten Ansteigen der Zahlen kommen kann.

Hoffnung macht aber die hohe Aufklärungsquote. Mit 68,4 Prozent werden hier im Vergleich zur Allgemeinkriminalität sehr viele Taten aufgeklärt. Bei den besonders schrecklichen Gewaltverbrechen liegt die Zahl sogar noch darüber. Angestiegen ist dafür die Zahl der polizeilichen Gefahrabwehreingriffe. Ein Zeichen dafür, dass die Polizei viel mehr im Vorfeld von politischen Gewalttaten einschreitet, die häufig spontan aus einer Gefahrlage heraus erfolgen.

Thomas Weber von Miteinander e.V. berichtete aus seiner Sicht, dass sich die Zusammenarbeit der Mobilen Opferberatung mit der Polizei insbesondere auf der Arbeitsebene verbessert hat. Verbesserungsbedarf sieht er dagegen bei der polizeilichen Behandlung von Gegendemonstranten. Hier komme es immer wieder zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung zum Schutz rechtsextremer Versammlungen.

Die Polizeitour endete mit einer Diskussion der AG "Polizeilicher Umgang mit Rechtsextremismus" des grünen Landesverbandes. Die im Sommer gegründete Arbeitsgruppe wird von Sebastian Striegel koordiniert. Sie will zur Aufklärung von strukturellen Ursachen für die wiederholten Verfehlungen sachsen-anhaltischer PolizistInnen beim Kampf gegen Rechtsextremismus beitragen und die Arbeit der Polizei kritisch begleiten. Weitere Mitglieder der bündnisgrünen Arbeitsgruppe sind Christoph Erdmenger, Landesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Uta Leichsenring, Polizeipräsidentin a.D., Torsten Hahnel, Mobile Opferberatung u.a. weitere Bündnisgrüne sowie Vertreter der Zivilgesellschaft.

Obwohl es im Vorfeld durch die Presse über die Gründung der Arbeitsgruppe Irritationen gegeben hatte, gestaltete sich die Diskussion offen und konstruktiv. Hövelmann betonte, dass es zwar nicht Aufgabe eines Parteigremiums sei die Polizei zu kontrollieren, dass er jedoch für Kritik und Vorschläge zugänglich sei. Einigkeit herrschte zwischen der Vertretern der AG und dem Innenminister darüber, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus hauptsächlich von der – in Sachen-Anhalt nur schwach entwickelten – Zivilgesellschaft geführt werden muss. Diskutiert wurde ebenfalls ein falsches Neutralitätsverständnis vieler Lehrer, welches rechtsextreme Entwicklungen an den Schulen ignoriert.

Wolfgang Wieland lobte den Entschluss der grünen Arbeitsgemeinschaft, die Polizei nicht als Hindernis, sondern als Partner im Kampf gegen Rechtsextremismus wahrzunehmen. Er warb für eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Zivilgesellschaft und Polizei. "Der Innenminister hat zum Problem des Rechtsextremismus ein klares und differenziertes Bild", resümierte Christoph Erdmenger. Der Innenminister sei sich des Ernstes der Lage bewusst. Nun gelte es, ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, polizeiliche Fehler im Umgang mit rechten Straftaten abzustellen. Auch die grüne Arbeitsgruppe erarbeite dazu Vorschläge. "Wir waren uns nicht in allem einig, so etwa in der Frage, ob nicht externe Untersuchungen bei Fehlern von Polizisten mehr Glaubwürdigkeit schaffen würden. Doch wir erlebten einen freundlichen, konstruktiven Dialog", so Erdmenger. Denn einig seien sich die Beteiligten darin gewesen: "Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die mit aller Kraft und in Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften geführt werden muss."

Brandenburg

Die Polizeitour in Sachsen-Anhalt war bereits die zweite Tour dieser Art. Am 9. Juli tourten Wolfgang Wieland, hier von Monika Lazar und Yvonne Plaul, Mitglied des bündnisgrünen Landesvorstandes, begleitet, bereits durch Brandenburg. Stationen waren Neuruppin und Potsdam.

Polizeitour Brandenburg und Sachsen-Anhalt

In Brandenburg standen die Probleme im Umgang mit dem Rechtsradikalismus im Ländlichen Raum im Vordergrund. Der Schutzbereich wird dafür anders als in Sachsen-Anhalt von Mitgliedern einer Sondereinheit unterstützt. Der Brandenburger Polizei ist es gelungen in Kreisen wie Neuruppin durch intensives Einwirkungen auf die örtlich bekannten Rechtsextremisten ein Klima der Verunsicherung in der Szene zu schaffen. Bekannte Neonazis werden von den Einsatzkräften gezielt angesprochen. Treffpunkte der Szene wie eine Tankstelle werden durch Einwirken auf den Pächter aufgelöst. Die Erfolge sind groß, auch weil sich Neonazis bei erhöhtem Druck in andere Kreise und Bundesländer zurückziehen und durch den ländlichen Charakter der Region die Szene übersichtlich geblieben ist. Die Zusammenarbeit mit Organisationen und Personen der Zivilgesellschaft funktioniert nach Auskunft der Polizei gut.

Das bestätigt mit einigen Einschränkungen auch Michael Schwandt, Leiter des Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule. Er weiss aber auch, wo die nicht mit polizeilicher Arbeit zu lösenden Defizite im Kampf gegen Rechts liegen. Neonazis haben sich auch in Brandenburg auf die Verfolgung eingestellt und agieren zusehends strafrechtlich unauffälliger. Im Kampf um die Köpfe haben sich nach dem Eindruck von Schwandt insbesondere bei vielen Schülerinnen und Schülern rechtsextreme Ressentiments verfestigt, die langfristig den Weg für die Ziele der Rechtsextremen ebnen können.

Die Tour fand ihren Abschluss in einem Treffen mit der Integrationsbeauftragten des Landes, Frau Professor Karin Weiss.

Wenige Tage nach unserem Besuch in Neuruppin fanden wir unsere Einschätzung zur Begrenztheit des Ansatzes der brandenburgischen Polizei leider bestätigt. Durch eine rechte Demonstration im Vorfeld des Kommunalwahlkampfs kamen der Polizei unbekannte rechtsextreme Aktivisten nach Neuruppin. Die Polizei war gezwungen, die Gegendemonstration aufzulösen. Nach Augenzeugenberichten wendete sie bei der Auflösung einer Sitzblockade Pfefferspray und damit unverhältnismäßige Gewalt an. Eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei wurde dabei verletzt. Anfang September wurden in Neuruppin schließlich drei Männer aus einer größeren Gruppe Rechter heraus angegriffen, weil sie sich auf Englisch unterhielten. Sie wurden beschimpft und geschlagen.

 
   
 

[zurück]