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  Gegen Rechtsextremismus [i] POLIZEITOUR 2008
 
     
 

Die Grünen auf Polizeitour
28. Juli 2008

Sachsen

Die dritte Etappe der grünen Polizeitour führte unter der Leitung von Wolfgang Wieland und Monika Lazar am 4. Juli 2008 nach Dresden. Kurz nach der Kommunalwahl sprachen wir mit dem sächsischen Polizeipräsidenten, Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und führten mehrere Gespräche im Sächsischen Landtag. Unser nüchternes Fazit: Die NPD ist in Sachsen sichtbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aber der Widerstand wächst. Wir fragten uns, wie ist der "Umschlagpunkt" im Kampf gegen den Rechtsradikalismus zu erreichen? Auch die Polizeiführung will dazu ihren Beitrag leisten. In den einzelnen Dienststellen scheint diese Devise aber noch nicht überall anzukommen.

Die scheinbare Normalität der Existenz der NPD begegnete uns im Gebäude des Landtags am deutlichsten. Ein großes Schild mit NPD-Logo demonstriert uns, hier residiert eine verfassungsfeindliche Partei im Parlament. Die Fraktionsangehörigen, die durch diese Türe schreiten, unterscheiden sich weder vom Alter, der Kleidung noch vom Gestus her von den Angehörigen anderer Fraktionen.

Wie bekommt man die NPD wieder aus dem Parlament? Wie können die kommunalen Strukturen der NPD aber auch des Rechtsextremismus insgesamt beseitigt werden? Diese Fragen beschäftigen Wolfgang Wieland, Sprecher für Innere Sicherheit, und Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, auf der Tour. Wir wollten vor allem die repressive Seite des Kampfes, also die Rolle der Polizei, beleuchten. Wichtig war es für uns auch, wie die Zivilgesellschaft das Agieren der sächsischen Polizei einschätzt.

Besuch beim Mobilen Beratungsteam

Wir begannen unsere Tour mit einem Besuch beim Mobilen Beratungsteam (MBT). Grit Hanneforth und Friedemann Bringt leiten das MBT. Nach ihrer Analyse begründen sechs Elemente den Erfolg der NPD:

  • Die Ignoranz der CDU und des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf ("völlig immun" gegen den Rechtsradikalismus!) aber auch der Kirche und anderer sozialer Träger.
  • Eine besonders in Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg und in der DDR fortwirkende völkische Tradition.
  • Die gefühlte Angst vor dem Abstieg in breiten Bevölkerungsschichten, die zu Protestwahlverhalten neigen.
  • Die NPD in Sachen macht eine "bessere" Arbeit als die Bundes-NPD. Sie tritt vor Ort auch gerne als die "bessere SED" auf und greift damit noch bestehende Traditionslinien auf.
  • Der NPD ist es gelungen, angesehene Personen an sich zu binden (z.B. den Fahrlehrer Uwe Leichsenring).
  • Die NPD steht nicht mehr am Rand sondern in der Mitte der Gesellschaft. Ihre lokale Stärke hat ihre Wahlerfolge leider verstetigt.

Gerade das Kommunahlwahlergebnis 2008 ist deshalb besonders erschütternd, weil es der NPD gelungen ist, flächendeckend in die Kreistage einzuziehen. Die absoluten Stimmverluste (150.000 Stimmen statt 190.000 bei der Landtagswahl) relativieren sich vor dem Hintergrund der niedrigen Wahlbeteiligung aber auch der Tatsache, dass in den kreisfreien Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz nicht gewählt wurde.

Die Strategie der Polizei betrachteten Hanneforth und Bringt als zwiespältig. Mit der Soko-Rex hatte Sachsen anfangs ein Vorbild im Kampf gegen Rechtsextremismus geschaffen, das aber versagte, als die Gefahr sich weg von kriminellen Rechtsradikalen hin zu lokal verfestigenden rechtsradikalen Strukturen bewegte. Auch habe die Politik unter der ideologischen Devise des Kampfes gegen jeden Extremismus die Polizei nicht richtig geführt. Bemängelt wurde, dass sowohl einzelne Polizeidienststellen als auch der Staatsschutz (Skandal um die Nazi-Kameradschaft "Sturm 34"), wie auch die Kommunen und Ordnungsämter unterhalb der Führungsebenen der Gefahr nicht konsequent genug begegneten. Teilweise findet die NPD sogar Akzeptanz. Bei einigen Vorfällen in Dresden habe sich gezeigt, dass etwa das Ordnungsamt das Versammlungsgesetz anders als in anderen Bundesländern nicht konsequent genug anwende.

Landespolizeipräsident Sachsen: Gefahr von Rechts ernst nehmen

Bernd Merbitz, Landespolizeipräsident Sachsen, machte uns im nächsten Gespräch deutlich, dass er die Bedrohung durch die Neonazis mehr als ernst nimmt. Der engagierte ehemalige Leiter der Soko-Rex arbeitet seit langem daran, dass die sächsische Landes- und Kommunalpolitik die Gefahren von Rechts ebenfalls ernst nimmt. Merbitz hat es allerdings schwer. Ihm fehlen Verbündete im Kampf. Für ihn ist die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft daher unabdingbar. Nach seiner Analyse fehlt es vor allem in den Kommunen an demokratischer Kompetenz, um z.B. Wortergreifungsstrategien und der Anwesenheit von rechten Kommunalpolitikern wirksam entgegenwirken zu können.

Er selbst führe die Polizei so, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Neonazis zu bekämpfen. Allein die schiere Zahl der in Sachsen vermuteten bis zu 30 Kameradschaften und ihre zunehmende Lernfähigkeit setzt polizeilichen Mitteln Grenzen. Die NPD führt ihren antidemokratischen Kampf immer professioneller. Sie wird aber durch die Kooperation mit außerparlamentarischen Kräften wie eben den Kameradschaften auch angreifbarer. Um handlungsfähiger zu werden, werde die Soko-Rex auch nach und nach wieder aufgebaut und verstärkt. Aber ihrer Personalstärke sind Grenzen gesetzt. Insbesondere bei Großdemonstrationen und bei Fußballspielen mit gewaltbereiten Anhängern ist man auf die Mithilfe aus anderen Bundesländern angewiesen. Bei uns blieb der Eindruck eines kämpferischen Polizeipräsidenten haften, dem es immer noch an Unterstützung auch bei den eigenen Leuten mangelt.
Langfristige Strategien entwickeln

Bei anschließenden Treffen mit Christopher Metz, Direktor der Landtagsverwaltung, wollten wir etwas über den täglichen Kleinkrieg mit der NPD-Fraktion erfahren. Metz' Devise: Zusammenhalt der demokratischen Fraktionen und Konfrontation mit der NPD nur dort, wo man sie gewinnen kann. Andernfalls baue man die Partei auf. Im Sächsischen Landtag ist es dadurch gelungen, die Handlungsspielräume der Partei einzugrenzen. Maßnahmen wie ein Werbeverbot im Haus oder die Nichtnutzung parlamentarischer Räume für Fraktionen treffen aber immer auch alle Fraktionen im Haus, da die NPD als nicht verbotene Partei Anspruch auf Gleichbehandlung genießt.

Dass gleichwohl immer noch nicht alle Parteien den Kampf mit der NPD ausreichend konsequent führen, erfuhren bei einem Treffen mit unseren Kollegen von der Grünen-Fraktion. Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer, und Johannes Lichdi, Innenpolitischer Sprecher, machten deutlich, dass vor allem immer noch die CDU von ihrem Weltbild des Kampfes gegen Rechts- und Linksradikalismus nicht ablasse und sich auch personell nicht vom rechten Rand lösen könne. Aber auch hier die Analyse: Die NPD ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und dies ist nicht nur in Sachsen sondern auch in anderen Bundesländern wiederholbar.

Im abschließenden Gespräch mit der Opferberatung wurde wiederum deutlich, dass es genau an der demokratischen Bildung nicht nur bei der CDU, sondern auch bei Kommunalverantwortlichen und eben auch der Polizei fehle. Unser Eindruck vom Beginn des Gesprächs fand hier seine Bestätigung. Die Erfolge der NPD in Sachsen sind nicht Zufall, sondern begünstigt von der Nachlässigkeit der politischen Führung und der Uninformiertheit und der Passivität an der Basis. Erfolge im Kampf gegen Rechts können nur durch massive Aufklärung geschehen. Hier sind die Ergebnisse der Kommunalwahl übrigens besser als meist berichtet. Viele unfähige Bürgermeister sind abgewählt worden. Unser Fazit: Um den "Umschlagpunkt" im Kampf gegen die Neonazis zu erreichen, um sie aus der Mitte der Gesellschaft wieder zu vertreiben, bedarf es langfristiger Anstrengungen, antidemokratische, rassistische und homophobe Einstellungen zurückzudrängen. Dafür tut Sachsen noch viel zu wenig. Die Polizei muss ihrerseits einen verstärkten Beitrag dazu leisten, dass die NPD von den Bürgerinnen und Bürgern nicht als normale Partei verstanden wird, sondern als das, was sie ist – eine antidemokratische Partei, die ihren Rückhalt auch bei Kriminellen sucht.

 

 
   
 

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