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Rote Karte für Gewalt und Intoleranz im Stadion
Zivilcourage im Fanblock – Herausforderungen für Vereine und Fan-Sozialarbeit
Veranstaltung am 28. April 2009 in Gelsenkirchen
Nach Stationen in Erfurt und Jena, Hamburg und Leipzig ging es für die grüne Bundestagsfraktion in den tiefen Westen der Republik: ins Ruhrgebiet, sozusagen dem Ballungsraum der Fußballbundesliga. Mit insgesamt fünf Erst- und Zweitligisten ist die Fanszene hier auch besonders stark ausgeprägt. Für den FC Schalke 04 gilt dies umso mehr – kaum ein Verein ist in seiner Stadt so verwurzelt und präsent wie der UEFA-Cup-Sieger von 1997. Gründe genug also, um eine intensiven Blick auf die Fankultur und -struktur in Gelsenkirchen zu werfen.
Angeführt von der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt – zugleich bekennendes Schalke-Mitglied – begann der Tag mit einer Sondersitzung des Sportausschusses der Stadt Gelsenkirchen. Neben VertreterInnen aus der Kommunalpolitik, von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst saßen auch Fanvertreter sowie Verantwortliche des FC Schalke 04 mit am Tisch. In dem etwa einstündigen Gespräch, das vom grünen Stadtrat Manfred Beck geleitet wurde, referierten die anwesenden Fachleute über ihre Erfahrungen mit den Schalke-Fans. Zwar sei es bei jedem Heimspiel eine Mammutaufgabe, die Verkehrs- und Sicherheitslogistik in ausreichendem Maße zu gewährleisten, durch die Kooperation der verschiedenen Akteure aber bisher immer gelungen. Brisanzspiele, wie gegen den Reviernachbarn Borussia Dortmund, seien aber nach wie vor nur durch die strikte Trennung der beiden Fanlager vom Bahnhof zum Stadion und zurück zu bewältigen, so die einhellige Meinung am Tisch. Noch immer ist es für die Fans beider Seiten eine „moderne Art der Freizeitgestaltung“ die Gegenseite zu provozieren und Fanutensilien, wie Schals oder Schwenkfahnen „abzuziehen“. Dennoch müsse man konstatieren, dass, seit Schalke 04 seine Heimspiele in der Veltins-Arena absolviert, die gewalttätigen Auseinandersetzungen deutlich zurückgegangen sind. Auf die Frage Göring-Eckardts, ob es Probleme mit rassistischen und antisemitischen Einstellungen innerhalb der Schalker Fanszene gebe, konnte eine vorsichtige Entwarnung gegeben werden: Die Entwicklung der letzten 15 Jahre zeige, dass Probleme mit rechtsextremistischen Fans kaum noch vorkämen. Anders läge der Fall in Sachen Homophobie. Hier gebe es noch keine ausreichende Sensibilisierung der Anhänger, Sprechchöre wie „Schwuler BVB“ sind an der Tagesordnung – eine Begebenheit, die auch Teil der Podiumsdiskussion am Abend sein sollte.
Als zweite Station des Tages stand ein Besuch beim Schalker Fanprojekt an. Das Büro des Fanprojekts befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Conrad – ein weiterer Hinweis für die Verbundenheit des Clubs mit der industriehistorischen Vergangenheit der Stadt. Das Hauptaufgabenfeld des 1994 gegründeten Schalker Fanprojekts, dessen Arbeit DFB, Bund und Land finanzieren, wird per Eigendefinition in der „Minderung von Gewalt in jeglicher Form und zum Abbau extremistischer Orientierung“ gesehen. Für Einrichtungsleiter Patrick Arnold ist die Jugendsozialarbeit deshalb ein unverzichtbarer Bestandteil der Fanarbeit. So werden neben dem obligatorischen Streetworking am Spieltag auch Angebote im erlebnispädagogischen Bereich, betreute alkohol- und nikotinfreie U16 Fahrten zu Auswärtsspielen oder Vorträge an Schulen angeboten. Um dies aber entsprechend umzusetzen zu können, so Arnold, müsse man sich als Schnittstelle zwischen allen auf Schalke involvierten Personen positionieren.
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Die dritte und letzte Besuchsstation führte die grüne Delegation schließlich zur Schalker Faninitiative gegen Rassismus e. V. Mit etwa 400 Mitgliedern ist sie damit der größte antirassistische Fanclub eines deutschen Sportvereins. Im Gespräch erläuterte die Vorsitzende der Faninitiative, Dr. Susanne Franke, die bisher erzielten Erfolge: Neben der Initiierung eines Antirassismusparagraphen in der Schalker Vereinssatzung gehören auch Stadionverboten für Mitglieder rechtsextremistischer Parteien dazu. Darüber hinaus habe man mehrere Plakatreihen, u. a. gegen Homophobie in der Fanszene aufgelegt. Der Sitz der Faninitiative ist der Fan-Laden am Gelsenkirchener Markt – eine Paradebeispiel für lebendige Fankultur. Er fungiert als Geschäftsstelle, Treffpunkt und Begegnungsstätte. Zusätzlich findet hier die Jugendarbeit der Initiative statt. Die Faninitiative wird ausschließlich von Ehrenamtlichen geleitet und wurde für ihr Engagement bereits vom Deutschen Bundestag (1997) und vom Land NRW ausgezeichnet.
Den Abschluss des interessanten Tages bildete die abendliche Diskussionsrunde im stadt.bau.raum Gelsenkirchen. Moderator Jesco von Eichmann vom Radio Emscher Lippe begrüßte neben Katrin Göring-Eckardt MdB, Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski, Stadtrat Manfred Beck auch Ewald Groth, Sportpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion NRW und Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB. Darüber hinaus diskutierten VertreterInnen der Fanprojekte von Essen, Gelsenkirchen und Bochum.
Gleich zu Beginn der Runde stellte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt den grünen Antrag zur Thamtisierung jeglicher Diskriminierungsformen und Stärkung der Rechte von Fußballfans vor.
"Schwuler BVB" drücke keine generelle homophobe Haltung der Kurve aus, so waren sich Olivier Kruschinski vom Schalker Fan-Club Verband, Patrick Arnold vom Fanprojekt Gelsenkirchen und Susanne Franke von der Schalker Fan-Initiative einig. Franke hofft auf den ersten bekennenden schwulen Fußballer: „Ohne Outing wird sich an der Haltung der Fans nichts ändern.“ Statistisch gesehen ist jeder zehnte Mann schwul – in der Schalker Arena wären das 6.000 Fans, und zwei Spieler auf dem Platz.
In den 15 Jahren sozialer Fanarbeit auf Schalke ist viel getan und viel erreicht worden. Schalke ist der erste Verein der Bundesliga, der Rechtsextreme per Satzung von der Mitgliedschaft ausschließt. Die Fanprojekte informieren breit über rechte Symboliken und ein Flyer unter dem Motto „Weißt Du, was Du trägst“ klärt über Marken und Labels auf. Er habe keine Angst mehr davor, die Leute direkt anzusprechen, wenn sie beispielsweise das U-Bahn-Lied anstimmen, so Stadtrat Beck, „vor ein paar Jahren hattest Du da noch Angst, auf die Fresse zu kriegen“.
Im Anschluss an die kurzweilige Diskussion lud die grüne Bundestagsfraktion zur Champions League-Halbfinalpartie zwischen dem FC Barcelona und dem FC Chelsea ein, ganz fußballtypisch gab’s Bier dazu.
Quelle: www.gruene.de
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