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  Die Fussballtour 2009  
     
 

Veranstaltungsbericht - Die Fußballtour 2009
Veranstaltung am 12. Juni 2009 in Berlin

Mit der Veranstaltungsreihe „Rote Karte für Gewalt und Intoleranz“ und einem umfangreichen Forderungskatalog im Deutschen Bundestag haben wir von grüner Seite den Anstoß für eine Stärkung der Bürgerrechte der Fußballfans gegeben.

Dem grünen Bundestagsantrag 16/12115 „Alle Formen von Diskriminierungen thematisieren – Bürgerrechte Fußballfans stärken – Für einen friedlichen und integrativen Fußballsport“ gingen Besuche und Gespräche bei Fanprojekten vor Ort und ein breit angelegter Informationsaustausch voraus. Mit zahlreichen Experten und Vereinsvertretern wurden die Fehlentwicklungen neben und auf dem Fußballplatz wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz aufgezeigt und Ansätze und Wege zu einer Problemlösung diskutiert. Völlige Übereinstimmung herrschte bei allen Beteiligten, dass die Arbeit der Fanprojekte hierfür einen zentralen Beitrag leiste.

Am Mittag besuchten die Abgeordneten Monika Lazar und Winfried Hermann Union Berlin. Dort ist man stolz auf den geschafften Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga und auf das fast fertig umgebaute „Stadion an der alten Försterei“. Das besondere: Hunderte Fans halfen beim Umbau des Stadions mit. Maurer, Schweißer aber auch viele Fans ohne bautypische Ausbildung packten ehrenamtlich mit an.

Das Gespräch mit dem Pressesprecher Christian Arbeit und dem Fanbeauftragten Lars Schnell hatte auch Rechtsextremismus zum Thema. Denn keine 1000 Meter Luftlinie vom Stadion entfernt befindet sich seit einigen Jahren die Bundesparteizentrale der NPD. Nach dem Umzug hatten die Verantwortlichen große Bedenken, die rechtsextreme Partei könnte den Verein für ihre Zwecke instrumentalisieren. Doch der Versuch, Flugblätter zu verteilen und die Fanszene zu unterwandern scheiterte – der NPD wurde klargemacht, dass sie nicht willkommen seien.

Im Anschluss fand ein zweiter Vereinsbesuch statt. Türkiyemspor Berlin hieß die Vertreterinnen und Vertreter der Bundestagsfraktion willkommen. Bei einem Glas Çay wurden die Probleme des Vereins diskutiert. Zu wenig Trainingsplätze für die vielen Mannschaften des Vereins, in dem Spielerinnen und Spieler aus über 20 Ländern vertreten sind. Insbesondere im Jugendbereich sind die Kapazitäten gering – oft müssen weite Fahrzeiten zu entfernten Trainingsplätzen aufnehmen. Aber auch Rassismus ist immer wieder Thema, gerade bei Auswärtsfahrten des Vereins.

Ihren Abschluss fand die Veranstaltungsreihe am 12. Juni mit einem abwechslungsreichen Programm in der Berliner Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Vor einem sachkundigen und diskussionsfreudigen Publikum zogen Winfried Hermann, sportpolitischer Sprecher, und Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, eine Bilanz der bisherigen Begegnungen und Gespräche. Winfried Hermann bilanzierte, dass Fußballspiel und Fanarbeit untrennbar miteinander verbunden seien. Mit der Veranstaltungsreihe hätten die Grünen bewusst die Örtlichkeiten und formalen Diskussionsrunden des Deutschen Bundestages verlassen wollen, um "ins Land zu gehen". Monika Lazar hob hervor, dass die vorangegangenen Besuche und Gespräche verdeutlicht hätten, dass sich Lösungsansätze nicht allein auf Sicherheitsfragen reduzieren dürften. Am Beispiel des in den letzten Jahren oftmals genannten Halleschen FC zeigten sich die Versäumnisse einer über viele Jahre fehlenden Fanarbeit. Auch heute, so Monika Lazar, werde immer noch zu viel allein an der Sicherheitsfrage ausgerichtet, "mit Sanktion und Ausgrenzung bekomme man das Problem aber nicht in den Griff". Besonders kritisch wurde dabei angemerkt, dass dem Fanprojekt Halle bei der Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen am Oktober 2008 ein Maulkorb durch den Hallenser Sicherheitsdezernenten erteilt wurde.

Mit Kurzfilmen über die antirassistische Fußball-WM und die langjährige Fanprojektarbeit in Bremen sowie einer Lesung des thüringischen Schriftstellers und Fußballfans Frank Willmann wurden unterschiedliche Formen der wichtigen sozialen Funktion des Fußballs und der Fußballkultur gezeigt.

In der abschließenden Diskussionsrunde unter der Leitung von spiegel-online Redakteur Christoph Ruf kamen neben der Politik Experten aus Wissenschaft und Fanvertreter zu Wort. Der DFB-Fanbeauftragte Gerald von Gorrissen hob hervor, dass sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach langen Jahren endlich selbst eingestanden habe, dass es Rechtsextremismus und Rassismus im Fußball gebe. Die Einrichtung seiner Personalstelle zur Fanbetreuung sei aus diesem Eingeständnis abgeleitet. Gorrissen umriss seine Arbeit mit den Schwerpunkten Kommunikation innerhalb der drei obersten Ligen, Fanbetreuung bei Länderspielen, Organisation des Fanclubs der Nationalmannschaften sowie – als wichtigem Schwerpunkt – Ansprechpartner für Fan-Initiativen wie dem Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) zu sein.

Für Michael Endemann von BAFF die Gründung dieser Fan-Vertretung Anfang der 90er Jahre auch eine  Reaktion auf Gewalt und Rassismus. Leider hätten sich diese Probleme bis heute nicht gelöst. Entsprechende Lösungsmaßnahmen seien zwar durchaus beim Dachverband DFB festzustellen, jedoch fehle es bisweilen noch in den Landesverbänden an entsprechender Umsetzung. Bei den dortigen ehrenamtlichen Strukturen, beim Schiedsrichterwesen und auch in der Sportjustiz gebe es in dieser Hinsicht weiterhin Defizite. Endemann untermauerte wie auch einige Zuhörer der Diskussion seine Kritik an massiven und unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gegen Fußballfans.

Für die Koordinierungsstelle Fan-Projekte (KOS) bezeichnete deren Leiter Michael Gabriel die Fanbetreuung und –vertretung als eine wichtige Aufgabe der Fanprojekte. Diese würden sich daher auch von den Fan-Beauftragten der Vereine unterscheiden, bei denen eher organisatorische Fragen im Vordergrund stünden. Nach Gabriels Ansicht seien Rassismus und Rechtsextremismus im Fußball zwar auch wegen der begleitenden Fanarbeit statistisch gesehen zurückgegangen, aber die gewalttätigen Auseinandersetzungen hätten eher zugenommen. Dies sei besonders auf einen undifferenzierten Umgang der Polizei mit der Fan-Szene, besonders der Ultra-Szene, zurückzuführen. Auf der anderen Seite sei aber auch die Ultra-Szene von einer fehlenden Reflexion über Gewalt gekennzeichnet.

Andreas Klose von der Fachhochschule Potsdam konstatierte aus soziologischer Sicht eine Interessendrift bei den Akteuren im Fußball. Der Wunsch bei allen Beteiligten nach Anerkennung finde unter den Rahmenbedingungen einer innenpolitischen Bürgerrechtsdebatte und der Kommerzialisierung des Fußballs statt. Erkennbar sei, so Klose, dass sich die daraus abzeichnenden Konflikte nur durch symbolische Lösungen gemildert, aber nicht gelöst werden. Als wichtige Forderung aus dieser Diskussionsrunde wurde der Wunsch nach individueller Identifizierbarkeit der Polizisten bei Einsätzen geäußert.

Für die Grünen sagten Monika Lazar und Winfried Hermann die Unterstützung der berechtigten Anliegen und Interessen der Fußballfans auch über die Legislaturperiode hinaus zu. Mit dem Bundestagsantrag "Bürgerrechte der Fußballfans stärken" habe man bei allen Beteiligten sehr großen Rückhalt und Zustimmung erhalten. Die Abschlussveranstaltung am 12. Juni in der Kulturbrauerei war dafür ein deutlicher Beleg.

Gesprächsrunde bei Union Berlin
Datum/Uhrzeit 12.06.2009 11:00 Uhr
Ort Union Berlin e.V.
Anschrift An der Wuhlheide 263, 12555 Berlin
Themen Polizeiübergriffe bei Auswärtsfahrten, Versuch der Unterwanderung durch die NPD, Fanbindung an den Verein
TeilnehmerInnen   Monika Lazar, MdB
Winfried Hermann, MdB
Christian Arbeit, Pressesprecher Union Berlin
Lars Schnell, Fanbeauftragter Union Berlin
Michael Gabriel, Koordinierungsstelle Fanprojekte
Ralf Busch, Fanprojekt Berlin
u.a.
   
Gesprächsrunde bei Türkiyemspor Berlin e.V.
Datum/Uhrzeit 12.06.2009 13:00 Uhr
Ort Türkiyemspor Berlin e.V.
Anschrift Gitschiner Straße 48, 10969 Berlin
Themen Rassismus im Stadion, Kapazitätsprobleme im Jugendbereich
TeilnehmerInnen   Monika Lazar, MdB
Winfried Hermann, MdB
Susam Dündar Isik, Türkiyemspor Berlin e.V.
Michael Gabriel, Koordinierungsstelle Fanprojekte
Ralf Busch, Fanprojekt Berlin
u.a.
   
Auswertungskonferenz „Rote Karte für Gewalt und Intoleranz“
Datum/Uhrzeit 12.06.2009, 16:00 Uhr
Ort Kulturbrauerei
Anschrift Sredzkistraße 1, 10435 Berlin
Themen Rassismus und Diskriminierung im Stadion, Repression vs. Prävention, Was können Fanprojekte leisten?
TeilnehmerInnen   Monika Lazar, MdB
Winfried Hermann, MdB
Michael Gabriel, Koordinierungsstelle Fanprojekte
Ralf Busch, Fanprojekt Berlin
Gerald von Gorrissen, Deutscher Fußball-Bund e.V.
Michael Endemann, BAFF
Andreas Klose, FH Potsdam
Moderation Christoph Ruf, Spiegel Online