Newsletter 1/2005

Fachgebiete Rechtsextremismus und Hochschulpolitik von Monika Lazar

Seit Januar 2005 bin ich für Antje Hermenau, die jetzt Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Sächsischen Landtag ist, in den Bundestag nachgerückt. In unserer Bundestagsfraktion bin ich zuständig für die Fachgebiete Hochschulpolitik und Rechtsextremismus. Für mich gab es in Berlin kaum Eingewöhnungszeit, denn in diesen Bereichen ging es im ersten Vierteljahr turbulent zu.

1. Hochschulpolitik

Studiengebührenurteil
Am 26. Januar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, daß der Bundesgesetzgeber nicht die Kompetenz besitzt, die Einführung von Studiengebühren für das Erststudium zu verbieten. Dieses Urteil sagt nichts darüber aus, ob Studiengebühren politisch sinnvoll oder unsinnig sind. Wir halten nach wie vor die Gebührenfreiheit des Erststudiums für ein wichtiges bildungspolitisches Ziel. Wir befürworten individuelle Studienkontenmodelle, die allen StudienanfängerInnen ein gebührenfreies Erststudium ermöglichen. Die unionsgeführten Länder sind jedoch daran interessiert, Studiengebühren einzuführen. Offiziell behaupten sie, daß sie damit im finanziellen Interesse der Hochschulen und im Dienst der Qualitätserhöhung handeln. Es ist jedoch völlig ungeklärt, ob die Gebühren überhaupt den Hochschulen zugute kommen oder in den Landeskassen versickern würden. Die qualitativen Auswirkungen hängen von der Ausgestaltung ab. Soweit bisher bekannt, planen die unionsgeführten Länder Gebühren von maximal 500 Euro pro Semester. In diesem Fall würden die meisten Hochschulen diese Höchstsumme verlangen und es käme nicht zu Anreizen für Qualitätserhöhung. Viel höhere Studiengebühren würden jedoch auch nicht automatisch zu Qualitätssteigerung führen, da an eine teure Universität nicht in erster Linie die klügsten, sondern wahrscheinlich eher die reichsten Studierenden gehen könnten.

KfW-Studienkredit-Modell
Fast zeitgleich mit der Urteilsverkündung zu Studiengebühren brachte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Studienkredit-Modell in die öffentliche Diskussion, das angeblich nur zur Finanzierung des Lebensunterhalts Studierender, nicht jedoch als Hilfe bei der Zahlung von Studiengebühren dienen soll. Ein positiver Aspekt des Modells besteht darin, daß unser grünes Anliegen der elternunabhängigen Förderung des Lebensunterhalts Studierender aufgegriffen wurde. Andererseits ist das KfW-Modell jedoch eine tatkräftige Unterstützung für die Gebührenbefürworter, weil es Studierenden Finanzierungsmöglichkeiten anbietet. Deshalb begrüßt die Union das Modell auch. Zwar hatte die Union vor der Urteilsverkündung des BVerfG vollmundig eigene Modelle für sozialverträgliche Stipendienprogramme als Voraussetzung für Studiengebühren angekündigt. Bis heute liegt jedoch kein einziger Vorschlag dazu vor. Die KfW, welche zu 80 Prozent dem Bund gehört, forderte, daß die öffentliche Hand das Ausfallrisiko tragen und für soziale Abfederung des Modells sorgen sollte. Ein Modell, nach dem der Bund haftet, damit die unionsgeführten Länder Studiengebühren kassieren können, ist absolut unakzeptabel. Das Urteil des BVerfG hat klargestellt, daß die Länder die Zuständigkeit besitzen, nach eigenem Gutdünken Studiengebühren einzuführen. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß der Bund nicht für den Bereich Gebühren zuständig ist. Selbstverständlich schließt eine solche Festlegung auch die finanzielle Zuständigkeit mit ein. Alle Versuche in Richtung Bundeshaftung lehnen wir daher ab.

Hochschulpolitischer Ratschlag
Am 15. April fand ein Hochschulpolitischer Ratschlag zum Thema Studienfinanzierung statt. Zunächst tauschten in der Debatte die rund 40 TeilnehmerInnen Meinungen aus und bestimmten die gemeinsame Schnittmenge. Es besteht Einigkeit darüber, daß in nächster Zeit die politische Frage geklärt werden muß: Welche Transferleistungen sind (weiter oder neu) zu zahlen und an wen? Im zweiten Teil stellte Ruth Seidel, Grüne im Landtag NRW, das NRW-Studienkonten-Modell vor und wir haben uns gemeinsam Gedanken darüber gemacht, ob und wie dieses Modell länderübergreifend verwendbar sein könnte. Als konkretes Ergebnis wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen, in der voraussichtlich VertreterInnen aus BaWü, NRW, Berlin, Bayern, Hessen, der BT-Fraktion, der HBS und der BAG mitarbeiten werden. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, bis Oktober 2005 Vorschläge zur Finanzierung des Lebensunterhalts Studierender und zu Ausbildungsfinanzierung auszuarbeiten und diese in einem erneuten Ratschlag vorzulegen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, bundesweit praktikable Lösungen für Hochschul- und Studienfinanzierung anzubieten. Es ist dringend notwendig, die Mittel für unsere Hochschulen zu erhöhen und die Finanzlage Studierender zu verbessern. Das kann nur in Zusammenarbeit zwischen Bündnisgrünen von Bundes- und Landesebene gelingen.

2. Rechtsextremismus

Besonders seit den Wahlerfolgen in den Landtagen Sachsen und Brandenburg ist das Thema Rechtsextremismus in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Daher habe ich das Informationspapier „Rechtsextremismus in Deutschland – Analyse und Gegenstrategien“ geschrieben, welches auf meiner homepage www.monika-lazar.de abrufbar ist.

Urteil zu Neonazi-Band
Am 10. März wurde erstmals durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) eine rechtsextremistische Musikgruppe als kriminelle Vereinigung eingestuft. Das Urteil stellte klar heraus, daß rechtsextreme Musik kein harmloser Zeitvertreib für Jugendliche, sondern oft der erste Schritt in eine gewaltbereite, neofaschistische Szene ist. Rechtsextreme Parteikader arbeiten strategisch mit Musikbands zusammen, um ihre Nazi-Ideologien zu verbreiten. So wurden beispielsweise an Schüler CD´s verteilt, auf denen neben der Musik auch Kontaktmöglichkeiten zu rechtsextremen Parteigruppen zu finden waren. Vom BGH wurde außerdem festgestellt, daß sich rechtsextremistische Schläger durch die aggressiven Liedtexte zu Gewalttaten motiviert fühlten. Diese Rechtsprechung stellt eine Wende in der juristischen Bewertung solcher verfassungswidrigen Musikgruppen dar. Das Urteil ist eine Aufforderung an unsere Gesellschaft, aufmerksam Entwicklungen in der rechtsradikalen Musikszene zu verfolgen und Aufklärungs- sowie Freizeitangebote zum Aufbau einer demokratischen Gegenkultur für Jugendliche zu schaffen.

Kommission Rechtsextremismus
Im Oktober 2004 hat der Bundesvorstand beschlossen, diese Kommission unter Leitung der Bundesvorsitzenden Claudia Roth einzusetzen. Es arbeiten VertreterInnen von Bundes-, Landes- und Kommunalebene zusammen. Erste Ergebnisse soll es bis zum Ende des Jahres geben. Diese Vorschläge sollen dann für den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr genutzt werden. Bei der ersten Zusammenkunft am 11. Februar war Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld als Gast eingeladen. Er beschäftigt sich schon sehr lange mit dem Thema Rechtsradikalismus und stellte uns neue Erkenntnisse seines Langzeitprojektes „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ vor. Beim zweiten Treffen am 13. April ging es um das Thema „Rechtsextreme Kultur“ in den Bereichen Musik-, Jugend-, Alltags- und Elitekultur. Besonders für einige Bündnisgrüne aus den alten Bundesländern war es erschreckend, wie weit sich rechtsextremes Gedankengut bis in die Mitte unserer Gesellschaft ausgebreitet hat und wie linke und alternative Symbole von Neonazis übernommen und in deren Sinne interpretiert werden.

Veranstaltung zu rechtsextremen Straftaten
Am 18. April fand ein Fachgespräch zu Problemen und Vorschlägen bezüglich der Erfassung rechter Straftaten statt. Die Veranstaltung wurde von der Bundestagsabgeordneten Silke Stokar organisiert. Wir diskutierten darüber, ob die Umstellung zur Registrierung politisch motivierter Straftaten wirklich in der Praxis angekommen ist. Es wurde festgestellt, dass es immer noch eine Differenz zwischen den Zahlen von LKA/BKA und Opferberatungsstellen gibt. Das liegt daran, daß sich einige Opfergruppen nicht bei der Polizei melden, sondern nur die Opferberatung aufsuchen und daß Teilbereiche wie „jugendkulturelle Auseinandersetzungen“ oder „Sozialdarwinismus“ von der Polizei nicht immer als rechte Straftaten gewertet werden. Weiterhin wurde festgestellt, daß es in den alten Bundesländern nur Zahlen der Polizei gibt, da Opferberatungsstellen nur in den neuen Bundesländern mit dem CIVITAS-Programm aufgebaut wurden. Die TeilnehmerInnen wünschten sich deshalb eine ähnliche Struktur in den alten Bundesländern.

Veranstaltung „Nachhaltige Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus"
Ich werde am 23. Juni 2005 von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr eine Veranstaltung durchführen, in der sich zivilgesellschaftliche Gegner von Rechtsextremismus darüber austauschen können, welche Möglichkeiten zum Engagement bestehen und wie die Ausweitung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher oder antisemitischer Entwicklungen verhindert werden kann. Mein Anliegen ist dabei vor allem die Vernetzung von Akteuren vor Ort mit PolitikerInnen von Bundes- und Landesebene. Ein Schwerpunkt der Diskussion soll die langfristige finanzielle Absicherung der Arbeit von Initiativen gegen Rechtsextremismus sein. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen. Kontakt: monika.lazar@bundestag.de.


Monika Lazar, MdB

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Material

Lesen Sie Monika Lazars Themenpapier:
Rechtsextremismus in Deutschland – Analyse und Gegenstrategien
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